Das Konzept der Mobilität hat in den Sozial- und Geisteswissenschaften eine erst jüngere Karriere. Gemäss Ngram-Viewer von Google hat es in der französisch-, englisch- und deutschsprachigen Welt in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg einen deutlichen Aufschwung. Im Kontext des wirtschaftlichen und sozialen Wiederaufbaus und der massiven Verbreitung des Automobils veränderten sich die Bedingungen der individuellen und kollektiven Mobilität grundlegend, wobei sich gleichzeitig neue staatliche Problemfelder ergaben. Dabei hat sich der Mobilitätsbegriff alles andere als eng oder klar umrissen entwickelt. In historischer Perspektive sind drei Bedeutungscluster (der Autor spricht von «nébuleuses ») zu identifizieren, in denen sich zeigt, wie das Konzept der Mobilität entstand und wie es sich veränderte. Ein solcher disziplinärer Zusammenhang ergab sich in der Soziologie der 1920er-Jahre, namentlich in der eng mit der Geografie verbundenen Stadtsoziologie. Ein zweiter Bedeutungscluster entstand in der relativ späten Fokussierung der Fachgeschichte auf Phänomene der Mobilität von Gesellschaften. Und ein dritter Bedeutungscluster ergab sich in philosophischen und soziologischen Reflexionen über die Beziehungen von Raum und Zeit. Diese Bedeutungscluster konvergieren in den letzten Jahren zu einer generalisierten These der Mobilität, deren Grundlagen und Konfigurationen zurzeit disziplinär und interdisziplinär erforscht werden.
Vom mobilen Charakter des Konzepts der Mobilität
(Du caractère mobile du concept de mobilité)Erschienen in: traverse 2020/3, S. 32