Vom Syntagma der Biographie zum historiographischen Paradigma: Eine methodologische Fallstudie

(Du syntagme biographique au paradigme historiographique: validité méthodologique d'une étude de cas)

Auf den untrennbaren Verbindungen des Individuums mit seinem Werk beruht auch eine der Konstruktionen, mit denen die Biographie zur Historiographie in Beziehung gesetzt wird. Kann man aber daraus folgern, die generelle Interessenlage einer Epoche könne durch die Analyse eines Lebenslaufes und -werkes erfasst werden? Eine positive Antwort bedeutete, dass es möglich sei, einen kurzen ereignisgeschichtlichen Abschnitt (die Biographie) so darzustellen, dass darin auch sozial- und geistesgeschichtliche Perspektiven der «longue durée», welche die zeitlichen Grenzen einer Generation sprengen, mit einbezogen würden.
Der vorliegende Beitrag hat zum Ziel, diese Problematik anhand einer Fallstudie zu erläutern. Ausgangspunkt bildet die kurze Begegnung zwischen einem angesehenen Bundesrat (Louis Ruchonnet 1934-1893) und einem jungen Waadtländer Historiker (Paul Maillefer 1862-1929). Gezeigt werden dann die Auswirkungen dieser Begegnung sowohl auf die individuelle Lebensgestaltung des jungen Mannes wie auch auf die Entwicklung der Historiographie in der Waadt. Diese heterogene Folge von «Auswirkungen», die der Biograph in der Regel zur Konstituierung seines Objekts benutzt, wird nun gewissermassen als Sammlung symbolischer Chiffren für eine weitergehende Interpretation zusammengestellt. So wird in der Schlussfolgerung die zeitliche Abfolge der biographischen Elemente – in Anlehnung an Methoden der Linguistik – wie ein Syntagma gelesen, um so den Paradigmen des allgemeinen Kontextes auf die Spur zu kommen.

Erschienen in: traverse 1995/2, S. 44