Havelange – Dassler – Blatter. Die Kommerzialisierung des Weltfussballs


1974 bildet eine Zäsur im Weltfussball. Der brasilianische Geschäftsmann, Sportfunktionär und ehemalige Olympionike Joao Havelange wird zum Präsidenten der FIFA gewählt. Zu diesem Zeitpunkt ist der Dachverband des Weltfussballs ein ehrenamtlich geführter Verein mit geringen finanziellen Ressourcen, aber immerhin rund 140 Mitgliedern. Um den ressourcenschwachen Mitgliedern, aber auch dem Weltverband selbst grössere finanzielle Mittel zu verschaffen, kooperiert Havelange mit dem von Horst Dassler geführten Sportartikelhersteller Adidas um ein internationales Sponsoren- und Marketingnetzwerk aufzubauen, welches alle Fussballakteure mit erheblichen finanziellen Ressourcen ausstatten soll. Damit soll insbesondere den Verbänden der dritten Welt dazu verholfen werden, die Dominanz der europäischen Fussballakteure herauszufordern. Der Schweizer Joseph Blatter wird als Assistent von Havelange und Dassler eingesetzt, um dieses Vorhaben zu koordinieren. Als Schüler des Brasilianers und des Deutschen wird der Walliser zu einem der einflussreichsten Akteure im Weltfussball. Eine Allianz aus Akteuren aus Industrienationen, Schwellenländern und Entwicklungsländern wirkt folglich zusammen, um das globale Spiel nachhaltig zu verändern.
Die FIFA, in ihrer heutigen Form als Verband, NGO, multinationales Unternehmen und Regierungsinstanz zugleich, wurde 1974 neu erfunden. Die Korruptionsproblematik, welche die FIFA aktuell in der Öffentlichkeit charakterisiert, geht im Wesentlichen auf diesen Bruch zurück. Joao Havelange, Horst Dassler und Joseph Blatter haben durch die Herstellung strategischer Assoziationen globale Entwicklungen geschickt genutzt um aus dem ursprünglich kleinen Verband eine mächtige und vielschichtige Organisation grosser Dimension zu schaffen, die im Wesentlichen durch den Fussball konstituiert wird und deren Macht im Fussballspiel selber liegt. Es handelt sich um eine diffuse und schwer fassbare Macht, eine die, um es in foucaultscher Begrifflichkeit auszudrücken, in das «Innere des Körpers» geht.

Erschienen in: traverse 2016/1, S. 95