Kampf um Frauenrechte – Allianzen und Bruchlinien


Das Frauenstimmrecht nahm im Forderungskatalog des Landesstreiks die prominente zweite Position ein. Dies war zum einen der transnationalen Einbindung der Arbeiterbewegung geschuldet, zum andern der Mobilisierungskraft tonangebender Sozialistinnen. Schon im Vorfeld des Streiks standen Frauen an der Spitze der „Hungerdemonstrationen“, forderten Preiskontrollen und die Sicherung der Lebensmittelversorgung. Solche Massnahmen erwarteten von den Behörden auch viele Vertreterinnen der so genannten bürgerlichen Frauenvereine, die zusammen mit Sozialdemokratinnen Einsitz in Notstandskommissionen nahmen. Über das Ausmass der Zusammenarbeit waren sich weder bürgerliche noch linke Frauenrechtlerinnen einig. Diskussionen innerhalb der bürgerlichen Frauenbewegung löste während des Landesstreiks vor allem die Forderung nach Einführung des Frauenstimmrechts aus. Während radikalere Frauenrechtlerinnen Punkt 2 enthusiastisch begrüssten, wollten andere nicht den leisesten Anschein erwecken, auf Seiten der Streikenden zu stehen. Tiefste Gräben zwischen linken und bürgerlichen Frauen öffneten sich allerdings wegen der ansteigenden Zahl an Grippe erkrankter Soldaten unter den gegen die Streikenden aufgebotenen Truppen. Auf Geheiss der Armeeführung organisierten Frauen aus gemeinnützigen Vereinen deren Unterbringung in Lazaretten. Dennoch arbeiteten linke und bürgerliche Frauenorganisationen im Gefolge des Landesstreiks in Fragen der beruflichen und politischen Gleichstellung punktuell zusammen.

Erschienen in: traverse 2018/2, S. 169