Die Kolonialpolitik der «Compagnie genevoise des colonies suisses de Sétif» während des Zweiten Kaiserreichs (1852-1870)

(La politique coloniale de la « Compagnie genevoise des colonies suisses de Sétif » sous le Seconde Empire (1852-1870))

Dieser Artikel stellt am Beispiel der «Compagnie genevoise des Colonies Suisses de Sétif» die Problematik der Besatzung und ländlichen Kolonisation im kolonialen Algerien des Zweiten Kaiserreichs (1852-1870) in den Mittelpunkt des Interesses. Es geht dabei darum, nach den Möglichkeiten und Bedingungen sowie nach dem Verlauf einer ländlichen Kolonisation in einem bereits besiedeltem Land zu fragen. Ziel des Beitrages ist es, Diskursverlauf und Praktiken der «Compagnie genevoise des Colonies Suisses de Sétif» vor dem Hintergrund des sich wandelnden Zweiten Kaiserreichs in ihren wichtigsten Merkmalen zu schildern.
Die Compagnie genevoise organisierte Geldgeber, die 1853, dank eines Dekretes von Napoleon III., 20 000 Hektaren Land in Sétif, Algerien, erhielten. Laut den Bestimmungen des Dekrets bestand die Aufgabe der Compagnie genevoise darin, auf 10 000 Hektaren zehn Dörfer zu errichten und zu kolonisieren. Für jedes errichtete und bewohnte Dorf, erhielt die Compagnie genevoise 800 Hektaren Land als Entschädigung. Während es dabei für die französischen Behörden darum ging, mit Privatkapital das Wohlwollen eines Teils der algerischen Bevölkerung zu sichern oder dies zumindest zu versuchen, lag das Ziel für die Compagnie genevoise darin, Gewinne zu erzielen. Und um diese Ziel zu erreichen, mussten zuerst die Bedingungen des napoleonischen Dekrets erfüllt werden: Erst danach war es möglich, Land zu erhalten, es nutzbar zu machen und daraus Profit zu ziehen.
Der Erfolg dieser Art von Kolonisation – eine grosse kapitalgebende Gesellschaft mit vielen kleinen Kolonialherren – war von grösster Bedeutung für die Compagnie genevoise, verstand diese es doch nicht nur, ihre Aktivitäten auszudehnen, sondern auch rasch Forderungen nach Erweiterung ihrer Konzession anzumelden. Der Vorschlag, sich auch künftig alle Möglichkeiten zu sichern und damit zu einer Neuausrichtung der Kolonisation zu gelangen, basierte auf den bereits gemachten Erfahrungen und den Problemen, mit denen man in der Vergangenheit konfrontiert war. Gleichzeitig unternahm die Compagnie genevoise Anstrengungen, den eigenen Besitz zu erschliessen. Dabei musste sie sich nun für eine Methode der Bewirtschaftung entschliessen: entweder Landwirtschaft in europäischem Stil, umgesetzt durch die einheimischen Pächter und Bauern, oder ein Mischsystem. Diese Frage gewann um so mehr an Bedeutung, wenn man bedenkt, dass die Errichtung der Compagnie genevoisenur auf Kosten der Einheimischen, die man von ihrem Land vertrieben hatte, möglich wurde. Vor diesem Hintergrund musste sie aufgrund politischer Interessen, persönlicher Zielsetzungen und ökonomischer Gegebenheiten Diskurs und Praktiken anpassen.

(Übersetzung: Simone Chiquet)

Erschienen in: traverse 1998/2, S. 56