Die freiburger Verkehrspolitik des 19. Jahrhunderts

(La politique fribourgeoise des transports au 19e siècle)

Der Kanton Freiburg nimmt zwischen den Voralpen einerseits und dem Neuenburgersee andererseits eine Schlüsselposition ein. Dank dieser Position kann der Kanton den durch das Mittelland verlaufenden Verkehr anziehen.
Der Kanton Freiburg hat im 18. Jahrhundert einen gewissen Rückstand auf Bern. Es ist die benachbarte Republik, welche die Strassenachse modernisiert, die von Murten nach Payerne führt. 1797 zählt Freiburg 290 km «grosser Strassen». Das Mediationsregime (1803-1813) erlässt eine erste Strassengesetzgebung und erstellt die Strasse Freiburg Murten. Während der Restauration 1814 1830) ruht der Strassenbau, und zwar bis 1826, als sich die Behörden des Vorsprungs der anderen Kantone bewusst werden. Diese konstruieren bereits Makadamstrassen moderne Schotterstrassen). Auch wäre es möglich, die steilen Zugänge zur Hauptstadt mit Hängebrücken zu überwinden.
Die Liberalen geben dem Strassenbau und -unterhalt nach 1830 den entscheidenden Impuls, indem sie ihm einen Fünftel der kantonalen Ausgaben widmen. Sie favorisieren die Achse Bern Freiburg Bulle Vevey, das Rückgrat des Kantons. Die Öffentlichkeit unterstützt diese Anstrengungen, indem sie für die Erstellung der Hängebrücken und für die Realisierung gewisser Abschnitte Aktien zeichnet. Das radikale Regime 1847 1856) erlässt eine moderne Strassengesetzgebung 1849), konzipiert ein vollständiges Strassennetz von 472 km Länge und erreicht den Anschluss Freiburgs an die Eisenbahn. Die liberal-konservative Republik der Jahre 1857 1881 verschuldet sich, um das Eisenbahnnetz erstellen zu können. Sie realisiert nach und nach das von den Radikalen entworfene Strassennetz und passt es dem Eisenbahnnetz an: parallel zur Eisenbahn laufende Strassen werden abgewertet, Zufahrtsstrassen aufgewertet.
Die christlich-konservative Republik 1881 1914) zeichnet sich durch eine sehr dynamische Eisenbahn- und Strassenpolitik aus. Der Staat Freiburg besitzt eine Kantonalbank, eine Elektrizitätsverwaltung und eine Universität; gleichzeitig verschönert er die Hauptstadt. Gleichwohl behält der Kanton die Unterstützung der Landbewohner, die zu einem grossen Teil von den inzwischen 581 km Kantonsstrassen profitieren. Vor dem Ersten Weltkrieg taucht eine neue Herausforderung auf: das Automobil. Weder die herkömmlichen Schotterstrassen noch die Hängebrücken sind seinen Anforderungen gewachsen.

(Übersetzung: Christoph Maria Merki)

Erschienen in: traverse 1999/2, S. 69