Die Sinnlichkeit ausserhalb der Norm. Vom Entzug zur Schärfung der Sinne im alten Mesopotamien

(La sensorialité hors normes. De la privation à l’exacerbation des sens dans l’ancienne Mésopotamie)

Die Keilschriften des alten Mesopotamien zeugen von einer gewissen Spannung in der Konzeption von Sinnlichkeit. Ob die Sinnesanreize fast schon übersättigt oder im Gegenteil auf das geringste Niveau reduziert sind: Plurisensorialität erlaubt die Konstruktion und Etablierung einer Kommunikation mit dem «Anderen», ob es sich dabei um einen Mitmenschen, einen Gott oder einen Toten handelt. Die Sinne sind in einem Spiel von Korrespondenzen und metaphorischen Assoziationen untrennbar miteinander verbunden. Der vorliegende Artikel kombiniert eine philologische und eine anthropologische Perspektive und kann damit zeigen, wie in unterschiedlichen Situationen ein oder mehrere Sinne als Vermittler in einer Kommunikation dienen oder umgekehrt Angst auslösen und den Austausch
unterbinden. Der Artikel stützt sich dabei auf rituelle, prophetische und literarische Texte des 2.–1. Jahrtausends vor Christus.
(Übersetzung: Anja Rathmann-Lutz)

Erschienen in: traverse 2015/2, S. 31