Die Bundesversammlung und der unvollendete Übergang vom Honoratiorenparlament zum Berufsparlament

(L’Assemblée fédérale et le passage inachevé du dignitaire au politicien professionnel)

Das Schweizer Parlament ist seit Bestehen des Bundesstaates 1848 geprägt vom Milizsystem und zeichnet sich dadurch aus, dass die politische Arbeit nicht von reinen Berufspolitikern und -politikerinnen geleistet wird. Das Milizsystem führt dazu, dass die Mehrheit der Ratsmitglieder stets aus der mittleren Bourgeoisie und dem Grossbürgertum entstammt und enge familiäre Bande mit wichtigen Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Politik, Verwaltung oder Kultur aufweist. Was die Berufsgruppen angeht, so dominieren in der Bundesversammlung seit jeher die Selbstständigen, namentlich Anwälte, wohingegen nur wenige Angestellte vertreten sind. Durch die jüngsten Reformen zur Professionalisierung der eidgenössischen Räte hat die Zahl der Ratsmitglieder, die sich in erster Linie der Politik widmen, stark zugenommen. Im Gegensatz zu den meisten anderen westlichen Ländern ist der Übergang vom Honoratiorenparlament zum Berufsparlament in der Schweiz aber unvollendet.

Erschienen in: traverse 2018/3, S. 114