Der Gral der guten Institutionen. Eine geschichtswissenschaftliche Kritik der wirtschaftswissenschaftlichen Institutionentheorie

(Le graal des bonnes institutions. Une critique par l’histoire de la théorie économique des institutions)

Seit den 1970er-Jahren haben sich Institutionen als zentrales Konzept in der Analyse ökonomischer Dynamiken etabliert. Diese Abkehr von einer puren neoklassischen Analyse hatte die Hoffnung auf eine Intensivierung des Dialogs mit anderen Gesellschaftswissenschaften geweckt, insbesondere in Bezug auf die Geschichte. Heute muss allerdings festgestellt werden, dass diese erhoffte Begegnung nicht stattgefunden hat. Dieser Beitrag will nicht bloss das Scheitern festhalten, sondern zugleich auch dessen Ursachen identifizieren und mögliche Wege zu dessen Überwindung vorschlagen. Zu diesem Zweck müssen zuerst diejenigen Aspekte in der wirtschaftswissenschaftlichen Konzeptualisierung von Institutionen identifiziert werden, welche die Möglichkeiten eines Dialogs erschweren. Im Rahmen der endowment perspective wird (oft implizit) angenommen, dass Institutionen einen intrinsischen Wert besitzen und in Bezug auf die Wirtschaft exogen sind; mit anderen Worten: dass sie – unabhängig vom jeweiligen historischen Kontext – als positiv oder negativ eingestuft werden können. Anhand von zwei Fallstudien wird aufgezeigt, dass dieser Ansatz unvereinbar ist mit der empirischeren, induktiven Methode der Historiker. Die erste Fallstudie fokussiert auf die Entwicklung und den Gebrauch des Aktienrechts im Frankreich des 19. Jahrhunderts; die zweite untersucht Genossamen im frankophonen Wallis in der Zwischenkriegszeit. Vor dem Hintergrund der beiden Fallstudien schlage ich Pisten vor, die eine Konzeptualisierung des Institutionen-Begriffs anstreben, welche stärker den Bedürfnissen der Historiker entspricht, wobei vor allem die historische Aktivierung von Institutionen im Zentrum stehen soll.

Erschienen in: traverse 2019/3, S. 116