Ökofeminismus, transnational? Multiethnizität, Einflüsse und Streitgegenstände

(L’écoféminisme, transnational? Multiethnicités, influences et enjeux)

Wie viele Strömungen der Frauenbewegung sah sich der Ökofeminismus mit dem Vorwurf konfrontiert, sich als westliches «Exportprodukt» hauptsächlich an Frauen der weissen Mittelschicht zu richten. Diese Kritik ist aber zu relativieren. Denn der Blick in die Geschichte zeigt, dass aussereuropäische Aktivistinnen den Ökofeminismus massgeblich beeinflussten, beispielsweise die kenianische Green Belt-Bewegung oder die Autorinnen Vandana Shiva und Starhawk, die als Anhängerinnen nichtwestlicher Lehren gelten. Wenn auch kontrovers in ihren Positionen, ist die Bedeutung dieser Akteurinnen doch unbestritten. Indem die Aktivistinnen zur Überwindung von Verständigungsproblemen beitrugen, halfen sie mit, den Ökofeminismus in eine multiethnische und multikulturelle Bewegung umzuwandeln. Und obwohl die ökofeministische Bewegung nach wie vor im Verdacht des Essenzialismus steht, ist es ihr doch seit den 1980er-Jahren gelungen, dem Vorwurf der ethnischen und kulturellen Befangenheit durch die Akzeptanz von Diversität, wie sie sich notwendigerweise aus den kulturellen und ethnischen Unterschieden ergibt, zu begegnen. Der Beitrag thematisiert, wie der ökofeministische Diskurs die Kritik an der ethnischen Voreingenommenheit durch eine umfassende Analyse der Zusammenhänge von Rassismus, Sexismus und Speziesismus aufgenommen und zu einem seiner wichtigsten Streitpunkte erhoben hat, mit dem Ziel, eine multikulturelle, transnationale Praxis zu begründen, die repräsentativ für die Multikulturalität der Personenkreise ist, für welche sich die Bewegung einsetzt.

Erschienen in: traverse 2016/2, S. 87