Match und Macht. Der Schweizer Fussball der Zwischenkriegszeit im Dreieck Massen, Märkte und Macht


Fussball erlebte in der Schweiz in der Zwischenkriegszeit einen lange anhaltenden Höhenflug. Allein zwischen 1922 und 1934 wurden zwölf Stadien mit einem Fassungsvermögen von mehr als 10 000 Zuschauern gebaut. Partien der Nationalmannschaft, Begegnungen im Schweizer Cup und Spitzenspiele in der Meisterschaft zogen regelmässig Zehntausende von Schaulustigen an. Begünstigt wurde die Entwicklung des Fussballs zur Massenkultur von den Medien. Sportzeitungen, Bildreportagen in Illustrierten und Beiträge in Filmwochenschauen trugen bereits in der zweiten Hälfte der 1920er-Jahre zu einer Medialisierung des Fussballs bei. Ein noch grösseres Publikum erreichte der Fussball durch die Übertragung von Spielen im Radio, das sich im Verlauf der 1930er-Jahen zu einem Leitmedium entwickelte.
Am Vorabend der Weltwirtschaftskrise existierten in Europa in Grossbritannien, in Österreich, in der Tschechoslowakei, in Ungarn, in Spanien, in Frankreich und in Rumänien professionelle Ligen. In der Schweiz endete die Professionalisierung des Spitzenfussballs bereits nach sechs Jahren wieder: Die 1931 institutionalisierte Nationalliga wurde 1937 auf Drängen elitär-konservativer und linker Kreise wieder aufgehoben. Die Kritiker eines professionellen Sports beklagten, Geldgier und Profitdenke würden die Freude an der Bewegung, die zwecklose körperliche Ertüchtigung, den Fairplay-Gedanken und den Patriotismus unterminieren. Der Fussball wurde fortan in den Dienst der «Geistigen Landesverteidigung» gestellt.
In der Schweiz konnte am Vorabend des Zweiten Weltkriegs nicht von einem «totalitären» Zugriff des Staats auf den Sport gesprochen werden. Gleichwohl wurden Sport, Medien, Masse und Macht bisweilen vermischt. Exemplarisch wird die Vermengung der verschiedenen Elemente in diesem überblicksartigen Essay am unerwarteten Sieg der Schweiz gegen das Deutsche Reich an der Weltmeisterschaft 1938 in Paris aufgezeigt. Insofern bewegte sich der Fussball in der Schweiz in der Zwischenkriegszeit tatsächlich in einem Dreieck zwischen Massen, Märkten und Macht.

Erschienen in: traverse 2016/1, S. 37