Neoliberale Wohnungspolitik avant la lettre? Staatliche Regulierung und private Interessen im Wohnungsbau in der Schweiz (1936–1950)


Die Periode zwischen 1936 und 1950 stellt eine Schlüsselphase der schweizerischen Wohnungspolitik dar. Wie in den übrigen europäischen Ländern erfolgten in der Schweiz im Zuge der Krisen der 1930er-Jahre und insbesondere des Zweiten Weltkriegs einschneidende staatliche Eingriffe in den Wohnungsmarkt. Die meisten Länder der nordatlantischen Welt erhielten die Staatsinterventionen in der Nachkriegszeit aufrecht und förderten den sozialen Wohnungsbau und/oder das Wohneigentum. Dem entgegen zog sich der Schweizer Staat bereits um 1950 zurück. Mit dem Abbau der Wohnbausubventionen, einer partiellen Deregulierung des Wohnungsmarktes und der weitgehenden Marktorientierung waren in der Schweiz nach 1950 Entwicklungen zu beobachten, die international gemeinhin erst mit den 1970er- und 1980er-Jahren in Verbindung gebracht werden und die Züge einer neoliberalen Wohnungspolitik avant la lettre aufweisen.
Der Artikel zeichnet nach, wie der Widerstand der privaten Wohnwirtschaft und der Bundesverwaltung in der unmittelbaren Nachkriegszeit den Einfluss des Bundes zurückdrängte und den Weg für eine teilweise Erneuerung der liberalen Wohnungspolitik der Vorkriegszeit und den privatwirtschaftlich dominerten Mietwohnungsbau ebnete.

Erschienen in: traverse 2021/1, S. 92