Psychopharmaka in der psychiatrischen Pflege. Neue Berufsbilder und der Status praktischen Wissens.


Die Einführung der modernen Psychopharmaka in den psychiatrischen Kliniken der Schweiz veränderte die Institutionen und die psychiatrischen Berufe dauerhaft. Diese neuen Therapiemöglichkeiten erforderten auch neue Formen der psychiatrischen Pflege und führten zu einem Wandel des Berufsbildes der Psychiatriepflege. Neue Handgriffe, neue Geräte, neues Wissen waren erforderlich. Nun war weniger körperliche Kraft notwendig als bisher, und an die Stelle der «Wärter» traten schrittweise die «Psychiatrieschwester» und der «Psychiatriepfleger». Die Atmosphäre in den Kliniken wurde insgesamt ruhiger und durch bauliche Massnahmen vielerorts heller und offener. Diese Veränderungen wurden in Zeiten der Personalknappheit bildreich für die Nachwuchsanwerbung insbesondere junger Frauen genutzt. Das gewandelte Berufsbild führte jedoch auch zu Statuskrisen: Die Trias Ärzteschaft-Pflegende-Patienten geriet ins Wanken, neue Zuständigkeiten mussten ausgehandelt werden. Die engere Anknüpfung des Pflegeberufs ans medizinische Feld führte somit einerseits zu einer Professionalisierung, die zur Rekrutierung von Nachwuchs genutzt wurde. Andererseits bot die umstrukturierte Psychiatriepflegeausbildung auch Anlass zu Konflikten mit der Ärzteschaft über die Rolle der Pflegenden und den Status praktischen Wissens.

Erschienen in: traverse 2012/2, S. 83