Wissenschaft und Bilder des Wunderbaren. Zur experimentellen Geisterphotographie um 1900

(Rationalisation scientifique et images du merveilleux. Brève enquête sur la photographie expérimentale des « esprits » au tournant du siècle)

Um die Jahrhundertwende gab es zahlreiche Forscher, die übersinnliche Phänomene wie Geisterbeschwörung, Telepathie, Hellsehen oder Materialisation mit wissenschaftlichen Experimenten zu belegen versuchten. Sie standen dabei oft in engem Kontakt mit dem Spiritismus oder wurden selbst Spiritisten. Der vorliegende Beitrag setzt diese eigenartig anmutenden Experimente, in denen der Photoapparat eine wichtige Rolle spielte, in ihren zeitlichen Kontext und versucht zu erklären, was sie insbesondere im Fall der Materialisation für viele Zeitgenossen plausibel machte. Die Beweiskraft der Photographie war schon damals umstritten. Der Gebrauch des Photoapparats zeugt jedoch von der Vorherrschaft visueller Modelle, wenn es um die Erklärung psychischer Verhaltensweisen ging. Der Rückgriff auf den Photoapparat war auch die Folge einer zunehmenden Beschäftigung der Zeitgenossen mit den Grenzen des menschlichen Wahrnehmunsvermögens. Gerade im visuellen Bereich haben sich diese Grenzen infolge wichtiger Entdeckungen in der Physik zugunsten des Unsichtbaren verschoben.

(Übersetzung: Jonas Römer)

Erschienen in: traverse 1999/3, S. 100