Unbeachtet, ungenutzt, unterschätzt? Historische Konjunkturen des Einsatzes von Lastenfahrrädern


Konstruktive Varianten von Lastenfahrrädern wurden in Europa bis in die 1960er-Jahre fast ausschliesslich gewerblich genutzt, im Einzelhandel ebenso wie bei grösseren Dienstleistern wie der Post. Im Zuge der Massenmotorisierung kamen sie fast vollständig ausser Gebrauch. Nach einem begrenzten Revival in alternativen Gegenkulturen der späten 1970er-Jahre erfahren Lastenräder, technisch aufgerüstet, seit den 2010er-Jahren einen Aufschwung – nun erstmals auch vermehrt im Privatgebrauch. Nutzungsmodalitäten in Asien zeigen eine zeitversetzte Chronologie, aktuell gekennzeichnet von einem Verdrängungsprozess nach früher weit verbreiteter Nutzung auch für den Personentransport.
Der vorliegende Beitrag diskutiert zunächst den bislang eher rudimentären Forschungsstand zur Geschichte von Lastenrädern und dem Lastentransport per Fahrrad. Auf dieser Basis werden vier Aspekte des Alltagsgebrauches von Lastenrädern im Verlauf des 20. Jahrhunderts in der westlichen Welt beleuchtet: Nischen der gewerblichen Nutzung, Modalitäten des Fahrens, Funktionen als Symbol sozialer Identität und die kulturelle Deutung von Lastenrädern. Abschliessend werden mögliche Gründe betrachtet, warum der Alltagsgebrauch für private Zwecke bis ins frühe 21. Jahrhundert ausblieb.

Erschienen in: traverse 2020/3, S. 80