Zwischen 1860 und 1887 erschien die Geologische Karte der Schweiz 1:100 000 in 25 Blättern. Die im Jahr 1860 gegründete Geologische Kommission der Schweizerischen Naturforschenden Gesellschaft leitete das Kartierungsprojekt. Der Beitrag beleuchtet, wie die beteiligten Geologen Wissen über den Schweizer Untergrund generierten und auf das Medium Karte übertrugen. Dabei wird die These verfolgt, dass die Trennlinie zwischen ‘Oben’ und ‘Unten’ im geologischen Forschungsprozess oszillierte.
Wissen über verborgene Gesteinsschichten entstand durch das genaue Studium der Erdoberfläche. Durch die Praktiken des Wanderns und geschulten Sehens ermittelten die Geologen Orte, an denen sich Festgestein an der Erdoberfläche offenbarte. Dieses Vorgehen im Feld gründete auf der epistemischen Grundhaltung, Erkenntnisse über den Untergrund aus Indizien an der Erdoberfläche ableiten zu können – Bohrungen oder andere Methoden des unmittelbaren physischen Zugriffs auf den Untergrund kamen kaum zum Einsatz. Die Interdependenz von Oberfläche und Untergrund zeigte sich auch im geologischen Kartierungsprozess, bei dem Oberflächenkarten (topografische Karten) je nach vermuteter Lage eines Festgesteins flächig eingefärbt wurden. «Oben» und «Unten» verschmolzen in der Ebenheit der geologischen Karte miteinander.
Untergrund an der Oberfläche. Die geologische Kartierung der Schweiz, 1860–1887
Erschienen in: traverse 2020/2, S. 37