Call for Papers

CfP 1/2025

Zu Fuss

Jahrtausendelang waren Menschen mehrheitlich zu Fuss unterwegs. Verschiedenste Formen menschlichen Unterwegsseins basieren wesentlich auf fussgängerischer Praxis: das Marschieren der Soldat*innen, das Spazieren der Flaneur*innen, das Wandern der Handwerksgesellen, das Pilgern, oft auch das Jagen. Zu Fuss unterwegs waren Frauen und Männer, Reiche und Arme, Junge und Alte, Gesunde und Kranke. Von den Reisläufern zur bürgerlichen Wanderlust, über die alpine Transhumanz und die Exerzitien militärischer Einheiten bis zur unerträglichen Grausamkeit der «Todesmärsche» umfasst die Fortbewegung zu Fuss das ganze Spektrum freiwilliger und erzwungener menschlicher Mobilitäten. Erst der Fort-Schritt der letzten zweihundert Jahre hat das freiwillige Zufussgehen teilweise marginalisiert: Auf der «Landstrasse» wurden «Vagabunden» und «Wanderarme» im 19. Jahrhundert einer zunehmend rigiden Kontrolle unterworfen; in den auf Automobile ausgerichteten Städten wurden Fussgänger*innen im 20. Jahrhundert in eng abgesteckte Zonen verbannt. Mit Blick in die Zukunft ist zu fragen: Welche Effekte werden künftige Energie- und Umweltkrisen haben? Werden sie das Zufussgehen wieder zum Normalfall machen?

Das Themenheft nimmt die Vielfalt fussgängerischer Mobilitäten in transepochaler Perspektive, von der Antike bis in die neueste Zeit, in den Blick. Wir fragen nach militär-, sozial-, wirtschafts- und religionsgeschichtlichen Aspekten des Zufussgehens: Mit welchen Intentionen gingen Menschen und Tiere zu Fuss wohin? Wie reflektierten die Fussgänger*innen selbst ihre Fortbewegungsart? Wie nahmen sie ihre Umgebung wahr? Welches Verhältnis entwickelten sie zu anderen zeitgenössischen Mobilitätsformen? Wie sprachen die Fürsprecher anderer Fortbewegungsmittel über das Zufussgehen? Welchen juristischen Einschränkungen wurden Fussgänger*innen unterworfen?  Darüber hinaus widmet sich das Heft auch den spezifischen Materialitäten des Zufussgehens: Was trugen die Menschen auf dem Fussweg eigentlich auf und bei sich? Das Schuhwerk (oder dessen Absenz), der Knotenstock, der Rucksack und andere Gegenstände prägten menschliche Fortbewegungspraktiken massgeblich und wandelten sich im Laufe der Zeit, beispielsweise vom notwendigen Reiseutensil zum raffinierten Konsumobjekt. Zuletzt ist die wenig erforschte Geschlechterperspektive einzubeziehen: Welche genderspezifischen Praktiken des Zufussgehens existierten und aus welchen Kontexten sind sie historisch zu erklären?

Mit seiner grossen Bandbreite möchte das Themenheft schliesslich auch einen Beitrag zu gegenwärtigen migrations- und mobilitätsgeschichtlichen Debatten leisten, in denen Fussgänger*innen und das Zufussgehen, trotz ihrer bis 1945 dominanten Stellung in der menschlichen Alltagsmobilität, eine untergeordnete Rolle spielen. 

Der geplante Heftschwerpunkt wird als traverse-Ausgabe 1/2025 erscheinen. Die erste Version der Manuskripte erwarten wir bis zum 15. Februar 2024. Die Artikel sollten eine Maximallänge von 30‘000 Zeichen inkl. Leerzeichen nicht überschreiten. Die Beiträge durchlaufen ein double blind peer review-Verfahren. 
Für die formalen Richtlinien und die redaktionellen Anweisungen siehe https://revue-traverse.ch/schreiben-fuer-traverse/formale-vorgaben-fuer-traverse/.

Wir laden Interessierte ein, bis zum 15. Mai 2023 ein Abstract (ca. 400 Wörter), ein CV sowie eine Auflistung der Publikationen an Marino Ferri (marino.ferri@unibas.ch), Anja Rathmann-Lutz (anja.rathmann@revue-traverse.ch) oder Tiphaine Robert (tiphaine.robert@unidistance.ch) zu senden.

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CfP 2/2025

Wirtschaftliche Dependenz

Mit dem Begriff der wirtschaftlichen Dependenz wurden in den 1960er Jahren die ungleichen Wirtschaftsbeziehungen zwischen Industrieländern und ehemals kolonialisierten Ländern angeprangert [1]. Das Konzept der Dependenz stand im Mittelpunkt von in Lateinamerika entwickelten Theorien der politischen Ökonomie, die sich zur Erklärung von Entwicklungshemmnissen auf internationale Handelsregeln konzentrierten. Und es wurde auch auf den Fall der Schweiz angewandt, um ihre wirtschaftliche Abhängigkeit von der Industriemacht England seit dem letzten Viertel des 18. Jahrhunderts zu diskutieren [2]. Dependenztheorien regten kritische Studien über das Phänomen der Globalisierung an, die sich auf asymmetrische Machtbeziehungen konzentrierten. Sie blieben jedoch meist auf makroökonomische Phänomene beschränkt. Vielfach basierten die Vorschläge auf einem positivistischen Geschichtsbild, in dem wirtschaftliche Entwicklung Hand in Hand mit einem westlichen Verständnis von Industrialisierung einherging. In anderen Fällen wurden auch Vorstellungen für eine genuin eigenständige Entwicklung der Dritten Welt jenseits kapitalistischer und staatssozialistischer Industrialisierung formuliert, die sich aber historisch gesehen nicht durchsetzen konnten. Nach dem Zusammenbruch der UdSSR und der Etablierung des Washington Consensus verlor das Konzept der Dependenz in den 1990er Jahren schließlich an Bedeutung und wurde durch Begriffe wie Offenheit, Interdependenz und Zirkulation abgelöst.

Dieses Heft der traverse lädt Historiker*innen dazu ein, das Konzept der Dependenz (wieder) aufzugreifen, um eine kritische Reflexion über die Folgen wirtschaftlicher Integration in verschiedenen Zeiträumen anzuregen. Darüber hinaus sind wir an Beiträgen interessiert, die das traditionelle Verständnis von Dependenz hinterfragen und erweitern – zum Beispiel, indem sie die komplexen Verflechtungen von mikro- und makroökonomischen Phänomenen in den Blick nehmen, das Konzept auf verschiedene geografische und historische Kontexte vom Mittelalter bis zur Gegenwart anwenden oder Fortschrittsnarrative wirtschaftlicher Entwicklung hinterfragen. Besonders willkommen sind schliesslich Beiträge, die das Verhältnis zwischen wirtschaftlicher Dependenz und anderen Arten von Abhängigkeit (kulturelle und wissenschaftliche Hegemonie, Ausbeutung der Umwelt und der natürlichen Ressourcen oder ungleiche Geschlechterverhältnisse) untersuchen. Für die Neubetrachtung des Konzepts der Dependenz eignen sich verschiedenste historische Richtungen und Ansätze: Die Geschichte des Kapitalismus, die Wirtschaftsgeschichte, die Unternehmensgeschichte, die Ideengeschichte, die Sozialgeschichte, die Geschichte der Arbeit, die (post)kolonialen Geschichte, die Geschlechtergeschichte, die Umweltgeschichte oder die globale und transnationale Geschichte.

In diesem Heft der traverse sollen insbesondere die folgenden Fragen adressiert werden: Wie wirkt sich die Integration von Märkten und die Organisation der Produktion in Wertschöpfungsketten auf die wirtschaftlichen Abhängigkeiten zwischen verschiedenen Einheiten (Nationalstaaten, Unternehmen, Individuen) aus? Wie haben sich die Machtverhältnisse zwischen Schuldnern und Gläubigern historisch verändert? Welche Auswirkungen hat der asymmetrische Besitz von Produktionsmitteln (Leibeigenschaft, Versklavung, Lohnarbeit)? Begünstigen Rechtssysteme Abhängigkeiten zwischen unterschiedlichen Weltregionen, Geschlechtern oder Generationen? Welche politischen, wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen haben verschiedene Arten der internationalen Governance (Regulierung, Anreize, Verhaltenskodizes, Selbstregulierung durch private Akteure)? Wie hat sich die Idee der Abhängigkeit in verschiedenen wirtschaftlichen und politischen Theorien niedergeschlagen oder wurde sie gar ignoriert?

«Wirtschaftliche Dependenz» wird in Heft 2/2005 der traverse publiziert. Bitte reichen Sie Ihren Artikelvorschlag bis zum 30. Dezember 2023 ein. Die Texte dürfen maximal 30’000 Zeichen (inkl. Leerzeichen) lang sein und werden im Peer Review-Verfahren(double blind) begutachtet. Alle Informationen zu den Formalia sowie das Style Sheet finden Sie hier: https://revue-traverse.ch/schreiben-fuer-traverse/formale-vorgaben-fuer-traverse/

Wir bitten interessierte Personen, ein Abstract (ca. 600 Wörter), ihren CV und ihre Publikationsliste bis zum 20. Juni 2023 an Sabine Pitteloud (sabine.pitteloud@unige.ch), Daniel Allemann (daniel.allemann@unilu.ch), Juan Flores (juan.flores@unige.ch) oder Mischa Suter (mischa.suter@graduateinstitute.ch) zu senden. Die Autor*innen werden im Juni über die Entscheidung der Heftherausgeber*innen benachrichtigt.

1] Raúl Prebisch, “Commercial Policy in the Underdeveloped Countries.” The American Economic Review 49/2, 1959, S. 251–73.

[2] Ulrich Menzel, Auswege aus der Abhängigkeit. Die entwicklungspolitische Aktualität Europas. Frankfurt am Main 1987.

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