Interview mit den Initiatorinnen von #metoohistory

Die Druckversion ist erschienen in: traverse 2/2024

Matthias Ruoss und Isabelle Schürch haben für traverse mit Prof. Dr. Julia Herzberg (Leipzig), Dr. Marie Huber (Marburg), Kathrin Meißner (Berlin), Janine Funke (Potsdam) und Dr. Claudia Roesch (Konstanz) gesprochen. Sie haben gemeinsam die Initiative #metoohistory gestartet, die Machtmissbrauch und sexuelle Belästigungen an Universitäten bekämpft.


Janine Funke: Wir haben uns als Gruppe im August 2023 formiert. Die Initiative steht in unmittelbarem Zusammenhang mit einem Fall an der Humboldt-Universität zu Berlin. Der Fall wurde in verschiedenen Zeitungen thematisiert, auch unser Mitglied Claudia Roesch hat ein Interview im Tagesspiegel gegeben.1

Anlass für das Interview war ein Screenshot auf «X» (ehemals Twitter). Dieser zeigte das offizielle Profil eines langjährigen Mitarbeiters und Dozenten mit dem Vermerk, dass «Studentinnen» nur in Begleitung der Frauenbeauftragten in dessen Sprechstunde gehen sollten. Daraufhin haben sich zahlreiche Betroffene geäussert, die übergriffiges Verhalten erfahren hatten, obwohl der Name des Dozenten nicht öffentlich genannt worden war. Die mediale Öffentlichkeit und die zahlreichen Äusserungen auf X haben so zu einem Momentum geführt, das die Aufmerksamkeit für sexuelle Übergriffe im universitären Kontext gesteigert hat. Das war Mitte Juli 2023. Uns allen war unabhängig voneinander klar, dass die nun geschaffene Aufmerksamkeit genutzt werden muss, zumal der Fall weit davon entfernt war, ein Einzelfall zu sein. Am Ende war es Marie Huber, die die Initiative ergriffen und einen Aufruf gestartet hat. So haben wir uns zusammengefunden und angefangen, uns auszutauschen, uns zu vernetzen und uns zu überlegen, wie wir aktiv werden können. Zuerst haben wir einen X-Account gegründet und den Hashtag #metoohistory ins Leben gerufen. Das war der Start der Initiative.

Janine Funke: Also zuerst zu den Vorbehalten. Uns war von Anfang an klar, dass wir darauf achten müssen, dass wir uns rechtlich auf der sicheren Seite befinden. Die Frage war: Was können wir tun, ohne uns selbst zu gefährden? Einige von uns haben sich in der Öffentlichkeit geäussert, also auch mit Klarnamen und universitärer Affiliation. Das machte uns natürlich persönlich angreifbar. Aber wir sind überzeugt, dass eine mediale Öffentlichkeit die Voraussetzung ist, dass auch Betroffene den Mut finden, sich zu äussern. 

Janine Funke: Das betrifft uns alle anders, weil wir uns tatsächlich alle in unterschiedlichen akademischen Positionen befinden. Ich bin Wissenschaftsjournalistin. Das heisst, ich bin nicht mehr angebunden an eine Hochschule und ich bin nicht mehr abhängig von den dortigen Machtstrukturen. Im Hinterkopf bleibt aber schon die Frage, ob sich mein Engagement für #metoohistory auf meine Auftragslage auswirken könnte. Uns ist es deshalb wichtig, uns abzusprechen und immer wieder neu zu entscheiden, wie wir auftreten.

Marie Huber: Ich hingegen bin als Postdoc mit einer befristeten Stelle noch voll innerhalb des Wissenschaftssystems. Es ist zwar nicht so, dass aus dem wissenschaftlichen System jemand an mich herangetreten wäre und gesagt hätte: «Du, pass mal lieber auf!». Dennoch gab es abweisende Reaktionen aus dem Kolleg:innenkreis. Einige, von denen ich wusste, dass sie betroffen sind, haben sehr entschieden gesagt, dass sie sich auf keinen Fall äussern wollen. Die Begründungen waren unterschiedlich. Manche haben als Grund tatsächlich Angst angeführt und klar gesagt, dass sie sich nicht trauen würden, mit ihren persönlichen Erfahrungen an die Öffentlichkeit zu gehen. Andere wiederum haben gesagt, dass sie (endlich) ihre Ruhe haben möchten. Es hat mich schon erstaunt, wer still geblieben ist und wer nicht. Zu denken sollte uns jedoch geben, dass einige auch Zweifel äusserten an dem, was sie selbst gesehen, gehört oder erlebt haben. Das zeigt die grosse Unsicherheit, der Betroffene ausgesetzt sind. 

Claudia Roesch: Sie sprechen mit den Hierarchien und Abhängigkeiten wichtige Probleme an, die Machtmissbrauch – sexualisierten Machtmissbrauch, aber auch Fälle von Mobbing und Ausgrenzung – begünstigen. Die Tatsache, dass der Vorgesetzte gleichzeitig der Betreuer ist, oder dass die Person, die die Noten für Abschlussarbeiten vergibt, gleichzeitig die Person ist, die auch entscheidet, ob ein Arbeitsvertrag verlängert wird, ist ein Problem. Wir haben es mit einem System zu tun, in dem es Positionen gibt, die mit sehr viel Macht ausgestattet sind. Im Fall des langjährigen Dozenten an der Humboldt-Universität ging es um sexuelle Belästigung. Seit den ersten Vorfällen sind gut 25 Jahre vergangen. Das heisst, das Problem war seit Langem bekannt. Sowohl vom Fachbereich als auch von der Universität wurde aber nur wenig unternommen. Diese Passivität ist Teil des Problems. Nur zu oft zeigt sich, dass – wie in diesem Fall – der Täter zwar nicht namentlich genannt wird, aber im Grunde jede:r genau weiss, um wen es geht. Personen haben einen bestimmten Ruf. Ich zum Beispiel habe im Zuge der #metoohistory-Initiative auch die Warnung erhalten, ich solle bei einer anderen beschuldigten Person vorsichtig sein, die Person nicht vorverurteilen, man könnte der Karriere der beschuldigten Person schaden usw. Das ist dann eher Täterschutz als Opferschutz. Die Gleichstellungsbeauftragten an universitären Fachbereichen sind oft selbst Mitarbeiter:innen in den betroffenen Instituten und übernehmen die Aufgabe im Zuge der akademischen Selbstverwaltung. Sie befinden sich teilweise in den gleichen Machtstrukturen und Abhängigkeitsverhältnissen wie die Betroffenen. Ähnliches gilt für Kolleg:innen an ausseruniversitären Forschungsinstitutionen – auch dort gibt es teilweise die gleichen Machtstrukturen und auch dort stehen Frauen- oder Gleichstellungsbeauftragte in einem Abhängigkeitsverhältnis zu ihren Vorgesetzten.

Claudia Roesch: Das ist eine Frage, die wir uns natürlich auch immer wieder stellen. Gerade die Geschichtswissenschaften sind ein Fach, das sich sehr stark mit Macht und Gewaltausübung und mit Formen von Marginalisierung beschäftigt. Selbstverständlich will ich nicht behaupten, dass Historiker:innen blind sind für die Strukturen im eigenen Feld. Die intellektuellen Voraussetzungen, diese zu erkennen, wären doch eigentlich gegeben. Dies war mitunter einer der Gründe, warum es uns wichtig war, #metoohistory auf dem Deutschen Historikertag 2023 in Leipzig einzubringen (mehr dazu unten, Anmerkung der Redaktion).

Kathrin Meißner: Ich glaube, wir müssen die Frage anders stellen und Machtmissbrauch als strukturelles Problem betrachten, und zwar generell in den Geschichtswissenschaften. Genau das zeigen die Fälle, die publik geworden sind und jetzt diskutiert werden. Es betrifft zwar die Geschichtswissenschaften, aber eben auch andere Disziplinen und das universitäre System im Allgemeinen. Für die Geschichtswissenschaften muss man auf jeden Fall zu bedenken geben, dass Habilitation, monografische Publikationskultur und verbreitete Individualforschung sicherlich nicht förderlich sind, da es professorale Lehrstuhlstrukturen und Karriereausrichtung zementiert. Ein weiterer Aspekt, den es aber auch in anderen Fachkulturen gibt, sind die Teilfächer innerhalb der Geschichtswissenschaften. Diese erlauben es einem begrenzten Personenkreis, Hierarchien aufzubauen und Macht anzuhäufen. Insgesamt kommt also sehr viel zusammen, was die Wahrscheinlichkeit von (sexualisiertem) Machtmissbrauch erhöht. Deshalb ist es uns wichtig, eine grössere Transparenz und Sichtbarkeit für strukturelle Probleme zu schaffen. 

Marie Huber: Ich möchte hier die Frage nochmals aufwerfen, von der ich mir wünschen würde, dass sie mehr im Vordergrund stünde: Warum melden sich gerade Historiker:innen, die sich eigentlich aus fachlichem Interesse berufen fühlen sollten, so wenig zu Wort, wenn es um Machtmissbrauch in der eigenen Disziplin geht? Dass wir uns als wissenschaftliche Disziplin mit strukturellen Problemen beschäftigen, ist das eine. Etwas anderes ist es, nach dem Rahmen unserer Fachkulturen zu fragen: Welche Gepflogenheiten haben wir? Wie arbeiten wir eigentlich? Wie gestalten sich bei uns Abschlussfeiern, Kongresse und so weiter? Wo entstehen Räume für Machtmissbrauch? Solche Fragen müssten im Hinblick auf Prävention genauer angegangen werden.

Julia Herzberg: Diese Schere haben wir auch in anderen Fächern. Ich glaube nicht, dass Geschichtswissenschaften besonders patriarchal organisiert sind, aber sie sind es. Das liegt daran, dass die Arbeitsverhältnisse in der Wissenschaft prekär sind und es sehr lange dauert, bis man, wenn überhaupt, auf eine unbefristete Stelle kommt. Das können sich Historikerinnen mit Familien- und Care-Verpflichtungen kaum leisten. Dass diese Arbeiten mehrheitlich immer noch von Frauen geleistet werden, ist belegt. Das heisst wiederum auch, dass Frauen häufiger aus der Wissenschaft aussteigen als Männer. 

Kathrin Meißner: Neben den prekären Arbeitsbedingungen möchte ich darauf hinweisen, dass die Publikationskultur den Gender Gap vergrössert. Die Art und Weise, wie in der Geschichte publiziert wird – nämlich in Büchern oder Sammelbänden, meist in Einzelautor:innenschaft und stark anhängig von Verlagshäusern –, verlangt sowohl ein hohes Mass an Verfügbarkeit und zeitlichen Ressourcen als auch an Netzwerken.

Marie Huber: Auch ich erlebe die Geschichte als ein Fach, in dem vorausgesetzt wird, dass man zeitlich verfügbar ist, was der Lebensrealität von Frauen widerspricht. Bücher schreiben ist das eine. Das andere ist die Mobilität. Damit meine ich nicht nur die Konferenzen, sondern auch Auslandsaufenthalte, die ständigen Stellenwechsel vor und nach dem Doktorat. Wir wechseln zwei-, drei-, viermal die Stelle, was in der Regel mit einem Umzug verbunden ist. Dazu kommen Archiv- und Forschungsaufenthalte. Wir arbeiten in einem disziplinären Umfeld, das die Lebensrealitäten von Frauen weitgehend ausblendet, und das in einem grösseren Mass, als ich das in anderen Fächern wahrnehme. Das muss sich ändern.

Marie Huber: Wir wollen mit unserer Initiative eine Plattform schaffen. Nur so ist es möglich, dass sich Akteure aus ganz unterschiedlichen Karrierestufen (Studierende, Doktorierende, Professor:innen, Verbände und Institutionen) vernetzen können und miteinander ins Gespräch kommen. Das ist ein Kernanliegen unserer Initiative. Wir möchten aber auch festhalten, dass es eine Initiative ist, die aus einer akuten Situation mit hoher Dringlichkeit entstanden ist. Erst jetzt kommen wir in die Konstitutionsphase. Im Gespräch ist ja bereits deutlich geworden, dass unsere Disziplin sehr heterogen ist. Das trifft auch auf die Vernetzungen zu. Die Zusammenführung unterschiedlicher Netzwerke ist ein grosser Erfolg unserer Initiative. Gleichzeitig haben wir auch gemerkt, dass es wichtig ist, Wissen über Initiativen aus anderen Disziplinen weiterzugeben. Wir schaffen also eine dringend notwendige Schnittstelle, die bislang in der Form gefehlt hat. Und schliesslich ist uns die Sichtbarkeit des Themas sehr wichtig. Über sexualisierten Missbrauch soll und muss gesprochen werden. Wir wollen aber nicht nur, dass mehr geredet wird, sondern dass transparenter, vertrauensvoller und respektvoller über das Thema gesprochen wird. Wir wollen eine neue Kommunikationskultur etablieren. Und nicht zuletzt wollen wir Entscheidungsträger:innen zum Handeln anregen und aufrütteln.

Marie Huber: Diese Frage nach der Unterscheidung ist durchaus berechtigt. In der Praxis hat sich aber gezeigt, dass sich diese Trennung nicht so scharf aufrechterhalten lässt. Ich denke, dass es wichtige Gründe gibt, warum verschiedene Arten des Machtmissbrauchs unterschieden werden. Das ist aber nicht unsere Aufgabe. Mit unserer Initiative geht es uns darum, eine Öffentlichkeit herzustellen und Ansprechpartnerin für betroffene Menschen zu sein. Menschen, die sich von #metoohistory angesprochen fühlen, würde ich nicht vorschreiben wollen, in welchen Fällen sie sich melden sollen. Denn es zeigt sich oft, dass sich Formen von Übergriffen und Machtmissbrauch überlappen oder auf eine Art und Weise zusammenhängen, die sich erst erschliesst, wenn man die Fälle genauer kennt und versteht. 

Kathrin Meißner: Ich möchte zudem darauf hinweisen, dass wir es oft mit verschiedenen Eskalationsstufen zu tun haben. Sexualisierte Gewalt ist die Form, die am meisten als übergriffiges und nicht mehr ignorierbares Fehlverhalten wahrgenommen wird. Das Bewusstsein für andere Bereiche von Machtmissbrauch ist hingegen weniger ausgeprägt. Selbst bei Fällen von sexualisierter Gewalt merkt man, dass es zuerst zu eklatanten Überschreitungen kommen muss, damit etwas passiert. Grundsätzlich fehlt es an fachkultureller wie gesellschaftlicher Sensibilisierung, besonders für Dimensionen und Praktiken von Machtmissbrauch.

Julia Herzberg: Machtmissbrauch wird in den Diskussionen häufig auf sexualisierte Gewalt und Übergriffe reduziert. Das ist aber leider auch eine Möglichkeit, um Meldungen von Machtmissbrauch an Gleichstellungs- und Frauenbeauftragte auszulagern. Damit wird es zu einem «Frauenthema». In dieser Logik wird aber Machtmissbrauch marginalisiert, was ich als sehr problematisch sehe. Deshalb ist es uns wichtig, von einem komplexen Begriff von Machtmissbrauch auszugehen.

Kathrin Meißner: In dieser Frage möchten wir uns noch nicht definitiv festlegen. Wir sind, das möchten wir noch einmal festhalten, erst in der Konstituierungsphase. Klar ist, dass es sich auf jeden Fall um ein gesamtgesellschaftliches Problem handelt. Ich persönlich bin hochschulpolitisch aktiv und es ist mir wichtig, dass Leute in Führungspositionen, sprich Hochschulleitungen und Lehrstuhlinhaber:innen, eine Verantwortung haben, aus der sich eine Fürsorgepflicht ableiten lässt. Es ist daher zu leicht, mit dem Finger auf bestimmte Einzelpersonen zu zeigen. Man muss immer auch die systemischen Probleme im Blick haben und die Gesamtstruktur adressieren.

Marie Huber: Wir sehen uns vor allen Dingen als Impulsgeberinnen. Mich hat aber am Anfang erstaunt, wie viel Forschung und Wissen zu Machtmissbrauch in der Wissenschaft es eigentlich schon gibt. In Deutschland gibt es das «Netzwerk Machtmissbrauch in der Wissenschaft».2

Auch die Bundeskonferenz der Frauenbeauftragten weist schon lange darauf hin, dass die Problematik bei den Frauenbeauftragten nicht gut aufgehoben ist, weil sie keine Weisungskompetenz haben.3 Natürlich sind es wichtige Stellen, denen man sich anvertrauen kann und die individuell hilfreiche Beratung anbieten. Die Frauenbeauftragte kann aber nicht personalrechtlich Einfluss nehmen. Aus Gesprächen mit Professor:innen habe ich den Eindruck gewonnen, dass ihnen gar nicht klar ist, dass eine Frauenbeauftragte nicht veranlassen kann, dass jemand entlassen oder ein Disziplinarverfahren eingeleitet wird. Das kann nur der:die Dienstvorgesetzte, also etwa eine geschäftsführende Direktorin, eine Dekanin, eine Unipräsidentin oder – wie im Land Berlin – eine Wissenschaftssenatorin. Kompetenzfragen bei Entscheidungs- und Personalverantwortung sind oft nicht geklärt bzw. unbekannt. Wann und in welchen Fällen gibt es eine Melde- oder Reaktionspflicht? Wie ist das Vorgehen? Wie sollte man auf Flurgerüchte reagieren? Sobald es Hinweise auf sexualisierten Missbrauch und Übergriffe gibt, muss eigentlich immer ein Vorgang zur Überprüfung eingeleitet werden. Da gibt es klare Regeln. Wenn Leute an uns herantreten und fragen, wo sie sich informieren können, dann verweisen wir sie an die entsprechenden Websites, Links und Anlaufstellen. Unser Impuls muss sein: Bestehende Strukturen müssen besser genutzt werden.

Julia Herzberg: Wir müssen wegkommen von Coping-Strategien und das Problem systemisch begreifen und strukturell angehen. Unserer Ansicht nach müssen wir auf drei Ebenen Massnahmen ergreifen. Das ist erstens die asymmetrische Machtverteilung im Hochschulkontext, die Machtmissbrauch begünstigt. Da spielen auch die engen Befristungsregeln und die Mehrfachabhängigkeiten in Anstellungs- und Betreuungsverhältnissen eine zentrale Rolle. Das bedeutet auch, dass die Abhängigkeit von Empfehlungsschreiben und Gutachten reduziert werden muss. So sollte es etwa möglich werden, bei Anträgen Personen von Gutachten auszuschliessen. Zweitens sollten Sanktionen als Schutzmassnahme durchgesetzt werden. Machtmissbrauch widerspricht den Regeln der guten wissenschaftlichen Praxis und ist deshalb zu ahnden. Es ist bekannt, dass Selbstverpflichtungserklärungen bisher wenig zur Prävention von Machtmissbrauch beigetragen haben. Wir müssen also die Sanktionierungspraxis stärken. Das bedeutet aber auch, dass wir unabhängige Stellen brauchen, die Betroffene beraten und die Verfahren unabhängig führen können. Dafür müssen Befugnisse und Ressourcen bereitgestellt werden. Konkret ist unser Vorschlag, diese Anlaufstellen innerhalb von Universitäten auf einer höheren institutionellen Ebenen anzuordnen. Häufig melden Betroffene Vorfälle nicht, weil sie die handlungsfähigen Ansprechpersonen und Stellen nicht kennen. Und drittens schliesslich möchten wir Personen, die Machtmissbrauch beobachten, auffordern, solidarisch zu agieren. Wir alle haben eine Pflicht einzugreifen und uns auf die Seite der Betroffenen zu stellen. Das ist für Personen, die selbst abhängig sind, gar nicht so einfach. Hierarchisch strukturierte Abhängigkeiten erzeugen ein Klima der Angst, das Schweigen und Wegschauen fördert. Für Personen, die nicht in irgendeiner persönlichen Abhängigkeit stehen, also entfristete Professor:innen, Institutsleiter:innen etc., gilt es, ihre Verantwortung und Fürsorgepflicht wahrzunehmen. Sie sollten unserer Ansicht nach Täter:innen zur Rede stellen und selbst Veränderungen an ihren Institutionen einfordern. Eine unserer konkreten Forderungen ist: Keine Kooperationen mit Täter:innen. Und schliesslich müssen sich auch die Fachgesellschaften Gedanken machen, wie sie ihre Verantwortung wahrnehmen. Sie sollten dem Thema mehr Aufmerksamkeit schenken und es von sich aus thematisieren. Nach wie vor müssen die Betroffenen vor allem selbst handeln. Das darf nicht so bleiben.

Julia Herzberg: Wir dürfen uns nicht an den Schweigespiralen beteiligen. Eine Person, die Machtmissbrauch erlebt, ist oft sehr schnell sehr einsam. Deshalb ist es wichtig, ins Gespräch mit Betroffenen zu kommen und ihnen zu versichern, dass das, was sie erleben, auch von anderen als falsch und missbräuchlich wahrgenommen wird. Wir müssen über Vorfälle sprechen, wir müssen sie benennen und wir müssen vor allem auch für die Betroffenen einstehen, die selbst nicht handeln können.

Kathrin Meißner: Ich schliesse mich dem Gesagten an. Da ich selber aus der Perspektive einer Promovierenden auf Machtmissbrauch schaue, möchte ich ergänzen, dass es gerade für junge Wissenschaftler:innen, aber auch für Studierende, entscheidend ist, dass etablierte Wissenschaftler:innen klarstellen, dass (sexualisierter) Machtmissbrauch nicht geduldet wird, dass es dafür keinen Platz gibt. Je weniger man ein Institut kennt, desto vulnerabler ist man. Gerade bei internationalen Austauschstudierenden, Gastwissenschaftler:innen oder Wissenschaftler:innen, die nur assoziiert sind, besteht die Gefahr, dass sie sich weder an Bekannte wenden können noch wissen, welche Anlaufstellen existieren. Solche Mängel können beispielsweise durch strukturierte Mentoring-Formate aufgefangen werden. Letztlich sollten die Informationen aber unterschwellig in jeder Lehrveranstaltung kommuniziert werden. Grundlegend braucht es die räumlich wie diskursiv sichtbare Auseinandersetzung mit strukturellen Abhängigkeiten, sodass eine aufmerksame, sensibilisierte und solidarische Arbeitskultur entstehen kann, die Machtmissbrauch vorbeugt.

Marie Huber: Wir sehen, dass zurzeit viele Personen aktiv werden wollen. Erwartungsgemäss kommt dieses Bedürfnis besonders aus dem Mittelbau. Ich bin der Meinung, dass Machtmissbrauch aber immer auch Chef:innensache sein muss. Wenn sich jetzt Arbeitsgruppen und lokale Initiativen bilden, dann sollten die Institutsleiter:innen dabei sein. So wird eine klare und wirkungsvolle Botschaft gesendet. Zudem führt der Dialog zwischen Studierenden, Mittelbauangehörigen, Professor:innen und Institutsleiter:innen dazu, dass unterschiedliche Perspektiven mit in den Prozess einfliessen. Nur so kann eine konstruktive, wirkungsvolle und achtsame Fachkultur entstehen. Es kann auch sinnvoll sein, eine:n externe:n Trainer:in einzuladen. Wir führen eine Liste mit Kontakten zu Expert:innen für Missbrauchsprävention.

Marie Huber: Zunächst hatten wir ein sehr schnelles Wachstum in den sozialen Medien. Nachdem wir den X-Account gegründet hatten, bekamen wir innerhalb weniger Tage über 1.000 Follower. Das war überwältigend, hat uns Rückenwind gegeben und uns ermutigt. Es zeigte sich schnell, dass beim Thema «sexualisierter Machtmissbrauch» ein immenses Austauschbedürfnis besteht. Darüber hinaus braucht es einen Ort, an dem die aktuelle Berichterstattung zusammengezogen wird und die Auseinandersetzung verfolgt werden kann. Dabei war es uns wichtig, an eine breitere gesellschaftliche Debatte anzuknüpfen – darum auch der Hashtag #metoohistory. Während in anderen Bereichen wie der Unterhaltungsindustrie die Thematisierung von Machtmissbrauch schon etabliert ist, hinkt sie im universitär-akademischen Umfeld hinterher. Das erstaunt doch sehr. Mit dem öffentlichen Auftreten machten wir uns viele Gedanken über unsere Kommunikationsstrategie. Im Hintergrund haben wir intensiv darüber diskutiert, wie wir einen bestimmten Post schreiben oder wie wir einen bestimmten Tweet absetzen wollen. So gesehen würde ich es als Erfolg verbuchen, dass wir es mit unserer Kommunikation geschafft haben, dass sich so viele Leute angesprochen gefühlt und sich getraut haben, sich zu melden. Zugleich sehe ich uns aber nicht als Konkurrenz zu Frauenbeauftragten, anonymen Meldestellen oder Ombudsstellen. Es braucht ein vielfältiges und breites Angebot, das unterschiedlich hoch- und niedrigschwellig ist, so dass sich Betroffene aussuchen können, was sich für sie passend anfühlt. 

Als grössten Erfolg würde ich aber unsere bereits erwähnte Veranstaltung auf dem Deutschen Historikertag 2023 in Leipzig bezeichnen. Wir haben dafür relativ kurzfristig eine Diskussionsrunde mit den beiden Vorsitzenden des Historiker:innenverbands, Fachleuten und einer Studierendenvertreterin organisiert. Die Veranstaltung wurde ein Publikumserfolg. Der für unsere Hybridveranstaltung reservierte Seminarraum für 40 Personen war innerhalb von wenigen Minuten überfüllt. Wir mussten kurzfristig in einen grossen Vorlesungssaal für mehrere hundert Personen umziehen. Online haben sich ebenfalls nochmals 170 Personen dazugeschaltet. Wenn man bedenkt, dass der Historiker:innenverband ca. 3.000 Mitglieder hat, waren über 10% mit dabei. Auch fachintern ermöglichte es uns dieser Anlass, zusammen mit dem Psychologen Daniel Leising das Thema im Rahmen eines Podcasts für H-Soz-Kult weiter zu vertiefen.4

Kathrin Meißner: Die Veranstaltung auf dem Historikertag hat uns gezeigt, dass sexualisierter Machtmissbrauch ein Thema ist, welches das gesamte Fach betrifft und umtreibt. Sowohl Studierende als auch Promovierende, Postdocs und Professor:innen haben sich an der Veranstaltung beteiligt oder sind im Nachgang auf uns zugekommen. Es zeigte sich aber auch: Vor allem Frauen haben die Veranstaltung besucht. Das liegt daran, dass Wissenschaftlerinnen stärker von sexualisiertem Machtmissbrauch betroffen sind, sich eher mit dem Thema beschäftigen und in ihren «whisper networks» darüber sprechen. Mein Eindruck ist, dass vielen Kollegen die Brisanz des Themas nicht bewusst war. Gerade der Erfahrungsbericht der Studentin auf dem Panel hat diesen Punkt deutlich gemacht.

Julia Herzberg: Mein Eindruck war, dass das Thema vor allem Doktorand:innen, Postdocs und jüngeren Professor:innen am Herzen liegt.

Marie Huber: Ich bin ein eher vorsichtiger Mensch und habe mich von Anfang an nicht als Aktivistin verstanden. Uns allen ist es wichtig, dass wir uns nicht auf einzelne Fälle und Personen einschiessen. Wir wurden im Vorfeld zum Historikertag immer wieder gefragt, ob wir die bislang bekannten konkreten Fälle thematisieren werden. Für uns war klar: Das wäre ziemlich unangemessen. Wir wollen dem Thema Machtmissbrauch eine Öffentlichkeit verschaffen. Dagegen kann man eigentlich nichts haben. In den Medien war die Resonanz auf unsere Veranstaltung am Historikertag jedoch gering. Die anwesenden Reporter:innen befassten sich primär mit den Veranstaltungen zur deutschen Erinnerungskultur oder zum Ukrainekonflikt. Einzig der Deutschlandfunk Kultur interessierte sich, wo ich ein Interview geben konnte.5

Neben anerkennenden Randnotizen gab es jedoch auch einen kleinen Meinungsbeitrag in der FAZ, den man als Verriss unserer Veranstaltung bezeichnen kann. 

Claudia Roesch: Persönlich habe ich keinerlei negative Äusserungen, keinerlei Kritik bekommen. Im Vorfeld gab es jedoch ein paar Warnungen aus meinem beruflichen Umfeld, dass ich vorsichtig sein soll, bestimmte Personen nicht vorverurteilen und mich nicht zu Einzelfällen äussern soll.

Kathrin Meißner: Wir verständigen uns tatsächlich gerade, wie wir weiterarbeiten wollen und können. Wir sind alle berufstätig, das Engagement für #metoohistory ist ehrenamtlich. Wir müssen uns neben den inhaltlichen Schwerpunkten überlegen, wie wir die Arbeiten so erledigen können, dass sie sich weiterhin mit unseren akademischen Verpflichtungen vereinbaren lassen. Zudem stellt sich die Frage, welche Infrastrukturen wir brauchen, um als unabhängige Initiative arbeiten können. Darüber hinaus gibt es eine Reihe offener Fragen. Wie kommunizieren wir das Thema weiter und erreichen ein breiteres Publikum? Wie positionieren wir uns als Initiative, wie als Einzelpersonen? Wie sichern wir uns rechtlich ab? Welche Expertise können wir einbringen, und welche Expertise haben andere? Wie können wir uns weiter vernetzen? 

Marie Huber: Zum Schluss möchte ich noch auf ein konkretes Resultat unserer Initiative hinweisen. Der Historikerverband hat bei der Mitgliederversammlung in Leipzig die Einrichtung eines fachethischen Ausschusses beschlossen, der sich unter anderem mit Fragen des Machtmissbrauchs beschäftigen wird. Das begrüssen wir sehr. Wir bleiben aber eine unabhängige Plattform, die gegen Machtmissbrauch und sexualisierte Gewalt kämpft.


Anmerkung der Redaktion

Hast Du sexualisierte Gewalt erfahren oder bist Du von Machtmissbrauch betroffen? Hier findest Du Anlaufstellen an deiner Hochschule: https://universities-against-harassment.ch/.

Und unter folgendem Link kommst Du direkt auf ein ausseruniversitäres online-Beratungsangebot: https://belaestigt.ch/.


  1. https://www.tagesspiegel.de/wissen/vorwurfe-gegen-dozenten-an-der-hu-berlin-er-fragte-ob-ich-mich-fur-ihn-ausziehen-wurde-10221028.html (21.3.2024). ↩︎
  2. Siehe dazu die Homepage des Netzwerks gegen Machtmissbrauch in der Wissenschaft: https://www.netzwerk-mawi.de (20.3.2024). ↩︎
  3. Siehe dazu das von der Bundeskonferenz der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten an Hochschulen e.V: (bukof) herausgegebene Positionspapier zu geschlechtergerechter Hochschulpolitik: https://bukof.de (20.3.2024). ↩︎
  4. Machtmissbrauch in der Wissenschaft & metoohistory – Folge 8 des H-Soz-Kult-Podcasts, in: H-Soz-Kult, 01.10.2023, online zugänglich: https://www.hsozkult.de/webnews/id/webnews-139036 (20.3.2024). ↩︎
  5. https://www.deutschlandfunkkultur.de/metoohistory-sexuelle-uebergriffigkeit-in-den-wissenschaften-dlf-kultur-d56fc1c7-100.html (24.3.2024) ↩︎

L’histoire et l’historien·ne – une relation politique

Fares Damien (Basel)

Le 2 mai 2024, à l’Université de Lausanne, les étudiant·es imitant la vague lancée dès avril 2024 dans les universités américaines ont manifesté leur opposition à la guerre et au génocide en cours à Gaza en occupant le site de Géopolis.[1] Si les protestataires ont été autorisés à rester sur le campus, il n’en a pas été de même dans les autres universités et notamment dans les cantons suisses alémaniques où toute tentative de débat a été étouffée depuis octobre 2023. Dans cette contribution, nous n’élaborerons pas sur les différentes réactions des directions des universités aux différents mouvements estudiantins en Suisse. Nous nous limitons, avec ces informations à l’esprit, à une réflexion active sur la relation qui semble problématique entre activisme – appelons-le ainsi pour éviter toute confusion – et la discipline de l’histoire.

Le débat sur la relation entre science, recherche académique, production de connaissances et activisme ou politique n’est pas nouveau. Il prend cependant de l’ampleur quand l’objet politique n’est pas un objet facilement discernable, plus encore dans des institutions et établissements au cœur d’un système mondial et global reposant sur des dynamiques de pouvoir claires entre Nord et Sud, centres et périphéries, comportant notamment des enjeux financiers, économiques et politiques et donc par extension épistémologiques. Ainsi, l’objet politique et ses dynamiques dans des contextes post-coloniaux ou coloniaux, comme en Palestine, n’est pas forcément le sujet que l’historien a le plus de facilité à aborder, car il se trouve lui-même au cœur d’un mode de production coloniale. Celui-ci n’est en effet pas limité dans le temps, et ne s’arrête pas avec les décolonisations – d’autant que ce processus n’est pas encore achevé dans plusieurs régions. Il s’étend à toute forme de production dépendant d’un régime économique et intellectuel construit sur des interdépendances issues des rapports de domination coloniale[2]. Pratiquer l’histoire dans un espace académique héritier d’un passé colonial est donc aujourd’hui inimaginable sans la prise en compte de ce même passé. Cela est notamment vrai dans les études historiques qui portent, directement ou indirectement, sur les espaces coloniaux, comme les « area studies ».

Ce contexte politique semble peut-être déconnecté du débat que nous adressons, ou n’y être que secondaire, mais en réalité, il en est l’élément central. En effet, la recherche, même quand elle tente d’être d’objective et impartiale, n’échappe pas à ces dynamiques de pouvoir. Elle en est bien au contraire fortement dépendante. Cela nous mène donc à la question principale que nous posons : quelle relation y a-t-il entre activisme et recherche, notamment dans le travail historique ? Cette relation n’est pas uniquement superficielle, elle est bien réelle, tant notre discipline est vivante et dynamique.

Pour y répondre, il faut revenir sur les mots employés. L’activisme n’est pas le seul terme pour parler de cette relation. Il serait plus constructif de prendre en considération d’autres qualificatifs qui permettent de la saisir ; militantisme, engagement politique, positionnement, etc. que de termes utilisés afin de qualifier une personne dont la vision du monde et de la société se traduit dans leur production intellectuelle, enseignements ou cadres analytiques. De plus, il semble qu’une recherche linguistique plus développée sur l’usage du mot en langue française s’impose, car l’usage fréquent du terme définissant un membre actif d’une association et venant de l’anglais n’est pas encore une entrée dans les dictionnaires[3]. Dans un souci de clarté et pour faciliter la lecture, nous utiliserons « activiste » pour les acteurs engagés dans une lutte politique et sociale.

Cette relation activiste-chercheur n’est pas à même de remettre en question le statu quo, chose prouvée et vécue dans les milieux universitaires suisses et dans les mouvements étudiants. Les lettres ouvertes pour un cessez-le-feu et contre le génocide à Gaza depuis octobre 2023 en sont un exemple. D’autres exemples à l’Université de Bâle ou de Berne ont clairement montré que le profil d’activiste-chercheur pouvait faire certaines concessions quand l’objet de l’activisme relève d’un espace “lointain” hors de “sa juridiction”. Il devient donc important, dans ce cas, de cerner le type d’activisme qui pose problème, en sachant que toute forme en pose à des degrés différents, dans un environnement académique fragile refusant de se heurter à ce qui pourrait remettre en question certaines dynamiques politiques et historiques relatives à la Suisse et à un réseau de relations et de dynamiques d’oppression et de pouvoir[4]. Elles pourraient notamment ouvrir la porte à des remises en question des origines de ce même système qui semble fonctionner tant que tout incident problématique est mis aux oubliettes.

Il semble que le problème posé par les rectorats, en réaction à la pression politique dominante, soit celui de la différence entre une recherche “scientifique” et une autre “engagée”[5]. Pourtant, la communauté historienne s’accorde sur le fait qu’un travail de recherche “scientifique” doit prendre en compte des faits historiques, des archives et des données, et que chercher à cacher des faits ou ignorer est problématique et contrevient à l’honnêteté intellectuelle. En effet, l’objectif de la recherche est de mettre toutes les cartes sur la table et de les expliquer, d’une manière ou d’une autre, afin de créer un récit qui s’argumente autour d’éléments basés sur des archives, témoignages, images, etc. Dès lors, ne pas reconnaître les relations de pouvoir sous-jacentes et se limiter à ces faits historiques sortis de leur contexte plus global ne serait pas très scientifique. Ainsi, l’engagement politique ne limite pas nécessairement cet effort scientifique ; tout au contraire il l’encourage, le motive, le pousse à aller plus loin. Cependant, les contestataires de cet engagement se prononcent le plus souvent quand celui-ci remet en question leurs propres engagements politiques et opinions qui souvent omettent l’élément susmentionné des relations de pouvoir, et notamment dans la lecture et l’écriture de l’histoire.En d’autres termes, quand la recherche remet en question les piliers de la structure dominante, elle devient un danger à contenir et neutraliser.

En conclusion, le travail  de l’historien·ne est de sortir des oubliettes de l’Histoire ce qui a été oublié, effacé, que ce soit volontairement ou par mégarde. En effet, l’oubli n’est pas nécessairement involontaire, mais comme la mémoire, dont il fait partie, il est aussi bien politique et politisé[6]. Il en est ainsi de l’histoire. De ce fait, l’engagement politique de l’historien·ne devient un droit naturel, celui d’amorcer différemment certaines thématiques, de remettre en question des faits établis par une nouvelle découverte ou lecture, d’écrire et réécrire autant de fois que nécessaire le récit des succès, mais aussi des défaites et erreurs. Marc Bloch l’illustre très bien. Le fondateur des Annales, combattant engagé et résistant, exécuté à Lyon en 1944 par la Gestapo en est un exemple parmi d’autres, peut-être le plus pertinent pour le lectorat. L’œuvre ou la recherche scientifique de l’historien a été dissociée du combat ou de l’engagement politique du citoyen[7]. Et, tout comme le résistant est encombrant, il en va de même pour ce que nous appelons aujourd’hui l’activiste. Dans cette perspective, il faut que l’historien·ne affirme son droit à remettre en question les injustices passées ou actuelles, non pas pour retourner à un passé trop idéalisé, mais bien pour construire un présent et surtout un futur – lui aussi objet historique – en en comprenant les différents mécanismes sociétaux. Tel est le métier d’historien, nous le rappelait «Narbonne».


[1] https://www.rts.ch/info/regions/vaud/2024/article/les-activistes-pro-palestiniens-autorises-a-occuper-un-batiment-de-l-unil-jusqu-a-lundi-28490162.html, 3.5.2024, (29.9.2024).

[2] Fares Damien, «Archives, the Digital Turn, Movement, and Postcolonial Peripheries», in Denise Bertschi et al. (éd.), Unearthing Traces. Dismantling Imperialist Entanglements of Archives, Landscapes, and the Built Environment, Lausanne 2023, 61–73, https://doi.org/10.55430/6638va01 (29.9.2024).

[3] Élisabeth Longuenesse, «Du militantisme à l’activisme, remarques sur la circulation de quelques mots entre le français, l’anglais et l’arabe», Revue internationale de politique comparée, 25/1–2 (2018), 83–103, DOI: 10.3917/ripc.251-252.0083 (29.9.2024).

[4] Denise Bertschi, «Echoing Swiss Coloniality. Land, Archive and Visuality between Brazil and Switzerland», PhD thesis, EPFL/Université de Genève, 27.6.2024.

[5] Voir les plusieurs articles rédigés par le Basler Zeitung entre novembre 2023 et juin 2024 à Bâle à titre d’exemple : Rico Bandle, «Basler Forscher behauptet, Israel greife Palästina mit Wildschweinen an», Tages-Anzeiger, 11.11.2023, https://www.tagesanzeiger.ch/israel-news-basler-forscher-behauptet-israel-greife-palaestina-mit-wildschweinen-an-166746340873, (29.9.2024); Benjamin Wirth, «Gegen politischen Aktivismus – und ein Bekenntnis für die Sicherheit Israels», Basler Zeitung, 14.12.2023, https://www.bazonline.ch/baselland-streicht-swisspeace-gelder-gegen-politischen-aktivismus-und-ein-bekenntnis-fuer-die-sicherheit-israels-656140067417, (29.9.2024); Alexander Müller, «Dies mache ich mir zum Vorwurf», Basler Zeitung, 29.1.2024, https://www.bazonline.ch/uni-rektorin-ueber-urban-studies-dies-mache-ich-mir-zum-vorwurf-920293344913, (829.9.2024); Sebastian Schanzer, «Studierende fordern eine Erklärung der Uni-Rektorin», Basler Zeitung, 5.2.2024, https://www.bazonline.ch/debatte-ueber-postkolonialismus-studierende-fordern-eine-erklaerung-der-uni-rektorin-326870266916, (29.9.2024); Sebastian Briellmann, «Am liebsten hätte ich diese Plakate eigenhändig entfernt …», Basler Zeitung, 24.5.2024, https://www.bazonline.ch/illegale-uni-besetzung-jetzt-spricht-andrea-schenker-wicki-871944821641, (29.9.2024).

[6] Michel-Rolph Trouillot, Silencing the Past. Power and the Production of History, Boston 1995, 31–69.

[7] Fabienne Federini, «Marc Bloch, L’Histoire, la Guerre, la Résistance », Lectures, 29.4.2006, DOI : https://doi.org/10.4000/lectures.287 (20.6.2024).

Helvécia, Brazil

L’image de couverture de ce numéro spécial a été réalisée par Denise Bertschi, dans le cadre de son projet doctoral (EPFL, Laboratoire des Arts et des Sciences) qui vise à explorer les liens complexes, imprégnés de colonialisme, entre Neuchâtel, en Suisse, et «Helvécia», à Bahia au Brésil, à travers le prisme de la culture visuelle et matérielle. 

Elle souligne que bien que les paysages ne révèlent pas toujours leurs histoires complexes au spectateur, ils portent en eux les traces des transformations successives du sol comme palimpseste du temps et de l’espace. Ce sont des marqueurs, visibles ou non, d’une transformation et d’un façonnement de la terre par l’humain, que Denise Bertschi interroge également à partir de méthodes de recherche artistiques.

Dans cette perspective, le territoire de «Helvécia» dans le sud de Bahia témoigne de l’histoire globale du colonialisme et des liens existants avec la Suisse. Ainsi, au début du 19e siècle, la plantocratie helvétique, principalement des familles de la région de Neuchâtel, a déboisé de grandes surfaces de la Mata Atlântica en recourant au travail forcé des peuples indigènes. Ces ressortissants suisses ont cultivé leurs plantations de café en utilisant la force de travail de plus de deux milles hommes, femmes et enfants africains ou afro-descendants réduits en esclavage. Qui plus est, le projet de Denise Bertschi souligne la complicité des autorités suisses, car l’un des premiers consulats de la Suisse a été installé à Bahia en 1834, et plus tard sur la colonie «Colonia Leopoldina» elle-même en 1861, pour protéger les intérêts des propriétaires helvétiques des plantations et les soutenir dans leurs efforts de colonisation. 

«Helvécia, Brazil», Denise Bertschi, analoge Fotografie, 2017, (c) Denise Bertschi

Aujourd’hui, la monoculture d’eucalyptus à des fins d’exploitation a presque complètement remplacé les anciennes plantations de café. Les plantations suisses de Colônia Leopoldina s’inscrivant dans le «capitalisme racial»[1] du XIXe siècle ont en effet été remplacées par la multinationale Suzano, une entreprise brésilienne de papier et de pâte à papier, qui utilise l’eucalyptus génétiquement modifié à croissance rapide. En remplaçant un écosystème vivant par un «paysage opérationnel»,[2] cette entreprise fait de la nature une marchandise, entraînant sa surexploitation. Ces pratiques capitalistes successives ont mis à mal l’écosystème tropical atlantique dans la région d’Helvécia et l’ordre socio-économique qui y était lié. Le Quilombo Helvécia, une communauté de descendant·e·s d’anciens esclaves, est encore basé dans cette région de nos jours. Les femmes, qui exercent une forte influence dans la communauté Quilombo, qualifient leurs conditions de travail et de vie de «néocoloniales», semblables au travail forcé de leurs ancêtres qui travaillaient dans les plantations de café suisses.[3] Comme eux, elles cherchent à résister aussi bien à leurs conditions qu’à la surexploitation capitaliste de la nature dans le plantationcène.[4]


Empfohlene Zitierweise/Suggested citation

Denise Bertschi, «Helvécia, Brazil», traverse 31/1 (2024), online+, revue-traverse.ch/helvecia-brazil/.


Mehr Infos:

Denise Bertschi, «Gaping Absences. Where is Helvécia?», in Denise Bertschi, Julien Lafontaine, Nitin Bathla (Hg.), Unearthing Traces. Dismantling imperialist entanglements of archives, landscapes, and the built environment, Lausanne 2023, 141–163.
Denise Bertschi, Strata. Mining Silence, Zürich 2020.
www.denisebertschi.ch

Ausstellungen: 
Aargauer Kunsthaus, Denise Bertschi Manor Kunstpreis 2020, Einzelausstellung, 2020.
Landesmuseum Zürich, Im Wald. Eine Kulturgeschichte, 2022.

Demnächst: 
Denise Bertschi, Spatial Convers(i)or, Einzelausstellung, Centre d’Art de Neuchâtel, Sept. 2024.
Landesmuseum Zürich, kolonial. Globale Verflechtungen der Schweiz, Historische Ausstellung mit Bertschis Werken zu Helvécia, Sept. 2024.


[1] Cedric J. Robinson, Black Marxism. The Making of the Black Radical Tradition, Chapel Hill 2000.

[2] Neil Brenner und Nikos Katsikis, «Operational Landscapes. Hinterlands of the Capitalocene», in Ed Wall (éd.), The Landscapists. Redefining Landscape Relations, Wiley 2020, 23–31.

[3] D’après des entretiens menés par Denise Bertschi en février 2017 avec les initiatrices du Quilombo d’Helvécia.

[4] Gregg Mitman, «Reflections on the Plantationocene: A Conversation with Donna Haraway and Anna Tsing», Edge Effects Magazine, 18.6.2019, https://edgeeffects.net/haraway-tsing-plantationocene (17.11.2023).


Kolonial – lokal – digital: Chancen und Herausforderungen neuer Erinnerungsangebote

Ein Beitrag von Barbara Miller, Linda Ratschiller, Simone Rees

Public History – wozu? Koloniale Vergangenheit und Rassismus in der Gegenwart

Die Öffentlichkeitsbedeutung von Geschichte steckt in einem Hoch. In der Schweiz erregt insbesondere auch der Umgang mit und die Deutung der kolonialen Vergangenheit die Gemüter. Auffallend an den Debatten ist, dass sich diese häufig an normativen Fragen entzünden:[1] Sollen Schaumzucker-Süssspeisen und Strassennamen umbenannt werden? Sollen bestimmte Kinderbücher noch gedruckt werden? Sollen historische Inschriften und Statuen demontiert werden? Sollen weisse Männer Dreadlocks tragen und mit Reggae-Musik Geld verdienen dürfen? Dabei handelt es sich um sehr kontrovers debattierte Themen. Die heftigen Reaktionen zeigen, dass diese öffentlichen Belege für unsere koloniale Vergangenheit und rassistische Gegenwart das vorherrschende Erinnerungsparadigma in Frage stellen, wonach es in der Schweiz keine Verbindungen zu Kolonialismus und Rassismus gab.

Die Vehemenz, mit der diese Auseinandersetzungen geführt werden, lässt sich durchaus mit der öffentlichen Aufarbeitung und Anerkennung der Rolle der Schweiz zur Zeit des Nationalsozialismus in den 1990er-Jahren vergleichen.[2] Auch damals widersprachen wissenschaftliche Erkenntnisse zunächst dem dominierenden Erinnerungsdiskurs und gefährdeten so das nationalhistorische Selbstverständnis der Schweiz. Eine weitere Parallele besteht in der Bedeutung von Aktivist:innen, Bürger:inneninitiativen und regionalen Public History Projekten für den initiierten Wandel der historischen Wahrnehmung. In beiden Fällen waren sie es, die auf erste Verbindungen hinwiesen, lokale Beispiele hervorhoben und die Öffentlichkeit auf heutige Auswirkungen dieser historischen Verflechtungen der Schweiz aufmerksam machten.

Die Skepsis, mit der Generationen von Historiker:innen – in Anlehnung an Maurice Halbwachs, Pierre Nora und andere – der Öffentlichkeitsbedeutung von Geschichte begegneten, ist einer zunehmenden Bereitschaft, Erinnerungskulturen zu untersuchen und selbst Einfluss auf das öffentliche Geschichtsbild zu nehmen, gewichen.[3] Die Public History hat sich als Folge mittlerweile auch an europäischen Universitäten etabliert, nicht zuletzt dank der Bedeutung des Holocaust als Bezugspunkt für die europäische Integration.[4]

Interessant ist in diesem Zusammenhang die Frage, ob auch die Geschichte des Kolonialismus zu einem Fluchtpunkt einer gemeinsamen europäischen Geschichte werden könnte. Denn die Thematisierung der kolonialen Vergangenheit kann das kollektive Gedächtnis um wichtige Aspekte erweitern. Die globale Dimension der europäischen Geschichte wird als inhärenter Teil ihrer Erinnerungskultur verankert, womit den Menschen, die in Europa leben und die Folgen dieser Verflechtungen im Alltag weiterhin zu spüren bekommen, eine Stimme gegeben wird. Die heute sich stetig pluralisierende und weltweit vernetzte Gesellschaft steht vor zahlreichen Herausforderungen, die uns zwingen, eine tiefgreifende Neubewertung unserer Vergangenheit vorzunehmen. Es ist unerlässlich, einen Dialog zu etablieren, der den aktuellen gesellschaftlichen Sensibilitäten gerecht wird, während er gleichzeitig unsere Geschichte in ihrer Gesamtheit respektiert.

Unsere Webseite colonial-local.ch soll im schweizerischen Kontext einen Beitrag dazu leisten. Sie versucht, die hitzigen Debatten in Zeitungen und sozialen Medien historisch zu kontextualisieren und dadurch zu einer differenzierteren Auseinandersetzung anzuregen. Sie vermittelt wissenschaftlich fundierte Inhalte und soll Nutzer:innen dafür sensibilisieren, dass die Vergangenheit von Ambivalenzen geprägt war, womit eine kritische Analyse der Gegenwart in der breiten Gesellschaft ermöglicht werden soll.

Colonial-local.ch fokussiert dabei auf einen regionalgeschichtlichen Zugang am Beispiel Freiburgs. Diese ländlich geprägte Region wurde bis anhin im Gegensatz zu den wirtschaftlichen und politischen Zentren der Schweiz kaum mit der Kolonialgeschichte in Verbindung gebracht. Gerade diese Position eröffnet Möglichkeiten, um die Omnipräsenz und breite Verankerung kolonialer Verflechtungen in allen Teilen der Schweizer Bevölkerung aufzuzeigen. Die Webseite illustriert einerseits die Beteiligung von Schweizer:innen am Kolonialismus, zum Beispiel als Söldner, Missionar:innen, Auswander:innen oder Rassenforscher. Andererseits belegt die Webseite, dass diese Verbindungen Rückwirkungen auf die lokale Bevölkerung zeigten und in Kirchen und Museen, in Wissenschaft und Schule, in Konsumgütern und Denksystemen präsent waren und teilweise bis heute weiterwirken.

Die Webseite als Medium der Geschichtsvermittlung

Die Art und Weise, wie Geschichte vermittelt, erzählt und rezipiert wird, hängt massgeblich von der verwendeten Medienform ab. Die Geschichtswissenschaft ist nach wie vor durch ein Primat des gedruckten Buchs geprägt. Alternative Formate, um Erkenntnisse in die Öffentlichkeit zu diffundieren, erleben aktuell einen Aufschwung. Aber obwohl viele Historiker:innen seit Jahrzehnten mit Bild- und Filmquellen arbeiten und mittlerweile auch digitale Quellen berücksichtigen, wie das Aufkommen der Digital History illustriert, übersetzt die Geschichtswissenschaft ihre Erkenntnisse bis anhin vor allem in textbasierte Vermittlungsformen.

Dies erscheint nicht nur vor dem Hintergrund der zunehmenden Nachfrage nach geschichtsvermittelnden Inhalten im digitalen Raum als bedauerlich. Vielmehr bergen digitale Formate auch grosses Potenzial für die Geschichtsvermittlung. Sie ermöglichen Historiker:innen, Einfluss auf die Gestaltung von Erinnerungskulturen zu nehmen, die sich in den letzten Jahren stark pluralisiert und an gesellschaftspolitischer Bedeutung gewonnen haben. Am Beispiel von colonial-local.ch kann gezeigt werden, welche Chancen die digitale Bereitstellung historischer Inhalte eröffnet, aber auch welche spezifischen Herausforderungen dies mit sich bringt, die sorgfältig abgewogen und angegangen werden müssen.

Reichweite, Nachvollziehbarkeit, Interaktivität – Die Chancen

Webseiten bieten in doppelter Hinsicht neue Möglichkeiten für Historiker:innen: Zum einen können Erkenntnisse und Erzählungen zur Vergangenheit in alternativer Form vermittelt und kommuniziert werden. Zum anderen eröffnen sie Kanäle für einen Austausch zwischen Geschichtswissenschaft und breiter Öffentlichkeit.

Geschichtsvermittlung im digitalen Raum kann von den Vorteilen und Spezifika sogenannter «quartärer Medien» profitieren.[5] Eine Webseite ist mit Desktop- und Mobilgeräten leicht zugänglich, was für die Breitenwirkung zentral ist; sie kann durch stete Bewirtschaftung langlebig gehalten werden, was die Möglichkeit einer nachhaltigen Beschäftigung mit dem Thema eröffnet; sie ist interaktiv und kann entsprechend erweitert und angepasst werden.

Darüber hinaus erlaubt die gleichzeitige Bereitstellung von Primärquellen und wissenschaftlichen Erkenntnissen eine fundiertere und glaubwürdigere Repräsentation von Geschichte. Wie die Untersuchungen von Paul Ashton und Paula Hamilton zeigen, verleiht die Öffentlichkeit eher jenen Geschichten Autorität, die sie anhand von Spuren der Vergangenheit selbst nachvollziehen kann.[6] Im Gegensatz zu gedruckten Geschichtspublikationen bieten digitale Medien die Möglichkeit, direkt auf die Quellen und damit auch auf die Interpretationsgrundlage der Historiker:innen zuzugreifen.[7] Während in der traditionellen Geschichtsschreibung die gewonnen Erkenntnisse nur abstrakt in den Fussnoten nachvollziehbar sind, können auf Webseiten historisch-methodische Vorgehensweisen zu Gunsten des Vertrauens von Nutzer:innen konkret erfahrbar gemacht werden.[8] So erfahren die Nutzer:innen von colonial-local.ch zum Beispiel im Zusammenhang mit Nova Friburgo nicht nur die Geschichte dieser Schweizer Kolonie in Brasilien, sondern können auch direkt auf Originalquellen zugreifen und erhalten zudem Informationen zu weiterführender Literatur.


Abbildung 1: Screenshot https://colonial-local.ch/nova-friburgo

Gerade im Kontext der schweizerischer Kolonialgeschichte sind Webseiten ideal für die Vermittlung historischen Wissens. Der zunehmenden Anzahl geschichtswissenschaftlicher Untersuchungen und Erkenntnisse zur kolonialen Vergangenheit der Schweiz steht nämlich das nach wie vor verbreitete Geschichtsbild einer kolonialen Unschuld in der breiten Bevölkerung gegenüber. So konnten Historiker:innen mittlerweile zeigen, dass die Schweiz nicht trotz ihrer politischen Neutralität, sondern gerade wegen ihr erfolgreich am Kolonialismus mitwirken konnte. Keine eigenen Kolonien zu besitzen, ermöglichte den Schweizer:innen, in transimperialen Netzwerken zu agieren und zu verschiedenen, teils konkurrierenden kolonialen Projekten beizutragen. Diese Befunde gefährden fest verankerte Nationalmythen und stossen folglich auf Ablehnung.  Am Thema Kolonialismus wird somit die Diskussion um die Rolle und Funktion der wissenschaftlichen Geschichtsschreibung für die Erinnerungskultur besonders virulent.

Die Notwendigkeit, das öffentliche Vertrauen in historische Erkenntnisse zu gewährleisten, ergibt sich aus der engen Verbindung des Narrativs der Schweiz als koloniale Abseitssteherin mit der Vorstellung einer schweizerischen «racelessness»[9] und «weissen Unschuld»[10]. Wie die Debatten in den vergangenen Jahren gezeigt haben, hat dieses Selbstbild eine kritische Auseinandersetzung mit der Vergangenheit und Gegenwart in einer sich zunehmend pluralisierenden Gesellschaft stark gehemmt, weshalb es entscheidend ist, dass das in den letzten Jahren erworbene akademische Wissen in die Gesellschaft diffundiert und angenommen wird. Nur wenn koloniale Hintergründe und rassistische sowie rassifizierende Strukturen in allen Bereichen des täglichen Lebens erkannt, benannt und verstanden werden, können sie letztlich überwunden werden.

Eine weitere Chance digitaler Geschichtsvermittlung eröffnet sich dadurch, dass Inhalte nicht zwangsläufig in linearer Textform präsentiert werden müssen. Für colonial-local.ch wurde ein mehrdimensionales Layout entwickelt, in dem die dargestellten Geschichten durch animierte Einblendungen gestört und dadurch auch gebrochen werden. Unterschiedliche Farbkodierungen lassen sowohl zentrale Aussagen als auch Verknüpfungen zur Gegenwart ins Auge springen und sollen dadurch zu einer kritischen Reflexion anregen.


Abbildung 2: Screenshot https://colonial-local.ch/schokolade Der rote Einschub erscheint erst beim Scrollen, wodurch die Lesart der Geschichte gestört wird. Mit Klick auf die Icons lässt sich der Inhalt erweitern und neue Aspekte werden eröffnet. Die gelben Textblöcke schlagen eine Verbindung zur Gegenwart.

Dieses Design dient der Dekonstruktion von Vorstellungen oder Vorurteilen und verknüpft die koloniale Vergangenheit mit heutigen Gesellschaftsfragen. Es ermöglicht aber auch eine vertiefte Auseinandersetzung mit historiografischen Problemen, die gerade bei kolonialen Erzählungen angesprochen und veranschaulicht werden müssen: Wie kann die Geschichtswissenschaft mit der Asymmetrie von Kolonialarchiven umgehen und wie können vermeintlich stumme Zeug:innen sichtbar gemacht werden?[11] So lassen sich beispielsweise beim Thema Söldnertum nicht nur die die Biografien von drei Freiburgern in fremden Diensten aufklappen, sondern auch das Feld «Der Unbekannte», welches genau diese Fragen adressiert.


Abbildung 3: Screenshot https://colonial-local.ch/soeldnertum

Schliesslich ermöglicht colonial-local.ch es den Nutzer:innen auch zu verstehen, dass nicht nur Wirtschaft, Religion, Kultur, Wissenschaft oder Politik mit dem Kolonialismus verflochten waren, sondern dass diese Aspekte sich gegenseitig beeinflussten und beeinflussen. Solange diese dichten Netze und komplexen Verbindungen nicht berücksichtigt werden, können die Auswirkungen, die Langlebigkeit und die Reichweite des Phänomens Kolonialismus nicht erklärt und seine Folgen bis heute nicht vollständig verstanden werden. Das entwickelte Webdesign eröffnet die Möglichkeit, die vielfältigen Verflechtungen aufzuzeigen, statt einzelne Themen isoliert aneinanderzureihen. Dieses «Systemdenken»[12] stimuliert ein multiperspektivisches Verständnis, indem es die streng chronologische Vermittlung von Geschichte aufbricht. Ein pluralistischer Blick auf die Vergangenheit entspricht den heutigen Herausforderungen der Identitäts- und Geschichtskonstruktion, indem er global ausgerichtetes Wissen und Handeln fördert.[13]


Abbildung 4: Screenshot https://colonial-local.ch/wissenschaft  Das « übrigens »-Icon stellt Querverweise auf andere Webseiteninhalte her.

Über diese vielfältigen Chancen für die Geschichtsvermittlung hinaus bestechen Webseiten insbesondere durch ihre interaktiven Möglichkeiten. Anstelle des üblichen Top-Down-Wissenstransfers kann das Publikum aktiv partizipieren und mitgestalten. Colonial-local.ch ist als ein wachsendes Archiv konzipiert. Besucher:innen haben erstens die Möglichkeit, historische Quellen aus privaten Sammlungen einzureichen und so zur Vervollständigung der (post)kolonialen Geschichte der Region beizutragen. Das Publikum kann das koloniale Archiv mitgestalten und darüber hinaus historische Fragestellungen und Vorgehensweisen anstossen und mitprägen. 


Abbildung 5: Screenshot von https://colonial-local/blog. Um der sensiblen Thematik Rechnung zu tragen, können Blog-Beiträge nur via Moderation durch das Projektteam aufgeschaltet werden.

Neben der Erweiterung des Quellen- und Wissensbestandes zu diesen historischen Verflechtungen dient zweitens der Blog der Website als Plattform für die Stimmen der von Rassismus betroffenen Menschen und ermöglicht so die Integration ihrer Perspektiven, Erfahrungen und Erinnerungen in die Geschichtsschreibung. Die Diskursteilnahme von Akteur:innen abseits der etablierten Autor:innenschaft rückt die Geschichtsproduktion weiter in die Gesellschaft und hilft bei ihrer Verankerung. Diese Pluralisierung der Perspektiven und Stimmen kann dabei helfen, das Bild der Vergangenheit zu erweitern. 

Angebot, Rezeption und Nachfrage – Die Herausforderungen

Die vielfältigen Möglichkeiten und Chancen für die Geschichtsvermittlung via Webseiten allgemein, wie auch für die Kolonialgeschichte im Speziellen, stellen gleichzeitig auch Herausforderungen dar. Exemplarisch für colonial-local.ch werden hier drei Problemfelder angesprochen und unser Umgang damit vorgestellt: Die Sprache, die Handhabung von problematischen visuellen Quellen und die Gewährleistung einer breiten Reichweite sowie frequentierten Nutzung.

Auf sprachlicher Ebene ergaben sich bei der Gestaltung der Webseite einerseits im Kontext der in den Quellen verwendeten Begriffe Schwierigkeiten, da diese Begriffe nicht selten mehr oder weniger offensichtlich rassistischer Natur sind. Werden sie übermässig abgebildet und historisch nicht eingeordnet, besteht die Gefahr, dass sie unkritisch rezipiert und allenfalls sogar reproduziert werden. Andererseits bildet die Sprache generell eine Herausforderung für die Vermittlung von historisch komplexen Themen: Die regionale Kolonialgeschichte soll auf der Webseite gerade auch für ein jüngeres Publikum attraktiv und nachvollziehbar sein, ohne gleichzeitig unsachgemässe Simplifizierungen, Trivialisierungen und Verniedlichungen zu produzieren.

Eine Antwort darauf stellt das auf der Webseite integrierte Glossar dar, welches an den gegebenen Stellen direkt verlinkt wurde und auch einen generellen Leitfaden zur Lektüre von kolonialen Quellen und Literatur zur Kolonialgeschichte bietet. Die Webseite ist weiter sprachlich so aufgebaut, dass sie möglichst präzise und sensibel vermittelt, deutlich zwischen der Sprache der Quellen und jener der Analyse differenziert und rassistische Begriffe sowie koloniale Denkfiguren systematisch problematisiert.


Abbildung 6: Screenshot von https://colonial-local.ch/mission. Bei allen unterstrichenen Begriffen erscheint auf Klick der entsprechende Glossarartikel.

Die Kolonialgeschichte umfasst weiter gerade hinsichtlich visueller Abbildungen einen sehr umfangreichen, aber auch in der Verwendung äusserst heiklen Quellenkorpus. Koloniale Fotografien entstanden immer in asymmetrischen Machtkonstellationen, teils auch unter Zwang, wodurch der Fotoapparat zu einem Instrument der Kolonisierung wurde.[14] Fotografien waren an der Produktion der visuellen Kolonialkultur massgeblich beteiligt und halfen bei der Perpetuierung spezifischer Stereotype und Machtverhältnisse. Die eurozentrische Perspektive, der häufig stark inszenierte und arrangierte Charakter ihrer Entstehung, die verwendeten technischen Mittel wie die lange Belichtungszeit zur Akzentuierung des Unterschieds zwischen schwarz und weiss – all diese Aspekte gilt es bei der heutigen Betrachtung zu reflektieren und zu berücksichtigen. Ohne diese wichtigen Einsichten aus der Visual History droht eine undifferenzierte Verwendung von höchst sensiblen Quellen, eine Reproduktion kolonialer Blickregime sowie eine erneute Objektivierung (ehemals) kolonisierter Menschen.[15]

In Anbetracht dieser Problemlage haben wir uns auf colonial-local.ch dafür entschieden, visuelles Material nur sparsam einzusetzen. Die Nutzer:innen werden bei den entsprechenden Bildern zudem auf den Eintrag zur Kolonialfotografie im Glossar verwiesen, in dem die Hintergründe und Stolpersteine erklärt werden. Mit dieser Einordnung hoffen wir dazu beizutragen, dass bereitgestellte visuelle Quellen mit der erforderlichen Vorsicht und Sensibilität betrachtet werden.

Da das online-Format allerding keine kontrollierte Rezeption von visuellen Quellen erlaubt, wurden offen rassistische, entwürdigende und entmenschlichende Fotografien aus bildethischen Gründen nicht integriert.[16] Insbesondere das erneute Abbilden derjenigen Menschen, die zu Unterhaltungszwecken einem europäischen Publikum in Zoos oder an Jahrmärkten präsentiert wurden, birgt die Gefahr, den kolonialen Gewaltakt des Ausstellens zu wiederholen. Allzu häufig werden heute gerade solche Bilder unkritisch und ohne Kontextualisierung als Belege für die Unmenschlichkeit des Kolonialismus und seiner Denkweisen herangezogen, wodurch voyeuristische und sensationalisierende Effekte erzeugt werden und koloniale Sehgewohnheiten nicht selten reproduziert statt gebrochen werden.[17]

Schliesslich stellt die Gewährleistung der frequentierten Nutzung und Rezeption bei digitalen Formaten eine Herausforderung dar. Wie kann sichergestellt werden, dass Webseiten, welche historische Inhalte aufarbeiten und vermitteln, auch besucht werden und so die Inhalte in die breite Öffentlichkeit diffundiert werden können? Dieser Frage sind wir mit zwei Strategien begegnet.

Erstens ist die Webseite auf drei verschiedenen Plattformen der sozialen Medien vertreten. In regelmässigen Posts wird dort auf neue Entwicklungen des Public-History-Projekts, aktuelle Blog-Beiträge und inhaltliche Aspekte der Webseite verwiesen, wodurch auch die sozio-politische Relevanz der Webseite für aktuelle Debatten und die Verbindung von Vergangenheit und Gegenwart akzentuiert werden kann.

Zweitens wurde colonial-local.ch sprachlich und inhaltlich explizit als Bildungswebseite für den Schulunterricht konzipiert. Im Austausch mit Lehrkräften, Didaktiker:innen, Expert:innen der Rassismusprävention und Schüler:innen werden derzeit in einem Folgeprojekt Lernmedien entwickelt, welche die multimediale, interaktive Nutzung der Webseite in Schulen auf Sekundarstufe I und II begleiten und erweitern. In diesem Zusammenhang entsteht auch eine Quellensammlung mit weiteren schriftlichen und visuellen Quellen ausschliesslich für Lehrpersonen, die im Unterricht deren kritische Rezeption und differenzierte Interpretation garantieren können.

Es wurde deutlich, dass seitens der Lehrkräfte ein grosses Interesse besteht, den Schulunterricht zu postkolonialisieren, dass verständliche und attraktive Materialien dazu allerdings nach wie vor weitgehend fehlen. Dabei zeigt sich insbesondere die regionalgeschichtliche Zugangsweise der Webseite, anhand der die Schüler:innen den kolonialen Spuren und damit auch der Genealogie des heutigen Rassismus in ihrer unmittelbaren Erfahrungswelt und geografischen Umgebung nachgehen können, als fruchtbar.

Die begleitenden, sich in Produktion befindenden Arbeitsmaterialien richten sich aber nicht nur an das frankophone und deutschsprachige Freiburg, sondern werden überregional konzipiert und können in Verbindung mit colonial-local.ch im Sinne eines «exemplarischen Lernens» schweizweit Anwendung finden. Die nachhaltige Verfügbarkeit der Webseite und das darauf allgemein zugängliche Grundlagenmaterial ermöglicht es, dass Lehrpersonen das Thema niederschwellig in den Schulunterricht integrieren können, wobei sich die Anwendung nicht allein auf den Geschichtsunterricht beschränkt, sondern hinsichtlich der Weiterwirkung kolonialer Strukturen in der heutigen Zeit vielfältige Anknüpfungspunkte innerhalb des Lehrplans ermöglicht.[18]

Fazit

Die Aktualität des Kolonialismus für die Schweizer Öffentlichkeit erschliesst sich nur, wenn sie als Reaktion auf grundlegende Veränderungen der Gegenwart begriffen wird. Die zunehmende Migration und Mobilität haben zu einer Pluralisierung der Erinnerungslandschaft geführt, in der für grosse Teile der schweizerischen Bevölkerung eine entgrenzte Geschichte  den selbstverständlichen Bezugsrahmen bildet. Dabei spielt die Kolonialgeschichte eine entscheidende Rolle, da sie nicht länger die Vorstellung einer helvetischen Insel innerhalb Europas bedient, sondern die Schweiz als Teil einer globalen Kolonialkultur verortet. Somit erscheint nicht nur ihre Vergangenheit, sondern auch ihre Gegenwart in einem neuen Licht. Verschiedene Organisationen und lokale Initiativen machen mit ihren kolonialhistorischen Angeboten auf den aktuellen und alltäglichen Rassismus aufmerksam. Sie thematisieren strukturellen Rassismus erinnerungspolitisch vor der Folie des Kolonialismus und tragen damit zu einer Pluralisierung der historischen Erfahrungen in der Schweiz bei.

Die gesellschaftspolitische Relevanz des Themas trifft gleichzeitig auf eine Diversifizierung der Medienlandschaft. Public History spielt sich heute nicht mehr exklusiv in Kollektivmedien wie Museen, Fernsehen oder Printmedien ab, sondern immer mehr in individualisierten, digitalen Formaten. Webseiten und soziale Medien erweitern historisches Wissen, reagieren auf eine Bandbreite an Interessen und machen spezifische Erinnerungsangebote. Diesen Entwicklungen gilt es von Seiten der Geschichtswissenschaft Rechnung zu tragen, um die öffentliche Aushandlung der Erinnerung entscheidend mitzuprägen. Digitale Geschichtsvermittlung mit ihren vielfältigen Möglichkeiten erscheint geradezu ideal, um die hermetische Abgeschiedenheit des wissenschaftlichen Elfenbeinturms aufzubrechen, neue Brücken zwischen historischer Forschung und Öffentlichkeit zu schlagen und Vertrauen in wissenschaftliche Erkenntnisse zu schaffen. Nur durch eine plurale und breit verankerte Erinnerungskultur können die aktuellen Herausforderungen des gesellschaftlichen Zusammenlebens angegangen werden.


[1] Sebastian Conrad, «Erinnerung im globalen Zeitalter. Warum die Vergangenheitsdebatte gerade explodiert», Merkur 867 (2021), S.  5–17.

[2] Christina Späti, «Die Schweiz und der Holocaust: Rezeption, Erinnerung und museale Repräsentation», in: Andrea Brait, Anja Früh (Hg.), Museen als Orte geschichtspolitischer Verhandlungen. Ethnografische und historische Museen im Wandel. Itinera: Beiheft zur Schweizerischen Zeitschrift für Geschichte 43 (2017), S. 61–76; Jakob Tanner, «Die Krise der Gedächtnisorte und die Havarie der Erinnerungspolitik. Zur Diskussion um das kollektive Gedächtnis und die Rolle der Schweiz während des Zweiten Weltkrieges», traverse. Zeitschrift für Geschichte 6 (1999) 1, S. 16–37.

[3] Astrid Erll, Kollektive Gedächtnis- und Erinnerungskulturen. Eine Einführung, Stuttgart 2017.

[4] Michael Rothberg, Multidirektionale Erinnerung. Holocaustgedenken im Zeitalter der Dekolonisierung, Berlin 2021; Natan Sznaider, Fluchtpunkte der Erinnerung. Über die Gegenwart von Holocaust und Kolonialismus, München 2022.

[5] Der Begriff quartäre Medien wird in der Kommunikationswissenschaft zur Bezeichnung von internetbasierten Tertiärmedien verwendet, die durch ihre interaktiven Momente die Zuschreibung von Sender und Empfänger flexibilisieren. Roland Burkart, Kommunikationswissenschaft. Grundlagen und Problemfelder einer interdisziplinären Sozialwissenschaft, Wien 2021, S. 39.

[6] Paul Ashton, Paula Hamilton, History at the Crossroads. Australians and the Past, Sidney 2010.

[7] Meg Foster, «Online and Plugged In? Public History and Historians in the Digital Age», Public History Review 21, S. 1–19.

[8] Cauvin Thomas, Public History. A Textbook of Practice, New York 2016.

[9] Noemi Michel, «Sheepology. The Postcolonial Politics of Raceless Racism in Switzerland», Postcolonial Studies 18, 4 (2015) S. 410–426.

[10] Gloria Wekker, White Innocence. Paradoxes of Colonialism and Race, Durham 2016.

[11] Damit reagiert die Webseite auf die Konzepte von ‘silence‘ und ‚invisibility‘ in den Geschichtswissenschaften. Michel-Rolph Trouillot, Silencing the Past. Power and the Production of History, Boston 1995. Anne Firor Scott, «On Seeing and Not Seeing. A Case of Historical Invisibility», The Journal of American History 71, 1 (1984), S. 7–21.

[12] Peter Senge, John Sterman, «Systems Thinking and Organizational Learning. Acting Locally and Thinking Globally in the Organization of the Future», European Journal of Operational Research 59 (1992), S. 137–150.

[13] Johanna Forster, «Globale Geschichtsperspektiven und soziale Identifikation. Bildungstheoretische Überlegungen», in: Susanne Popp, Johanna Forster (Hg.), Curriculum Weltgeschichte. Interdisziplinäre Zugänge zu einem global orientierten Geschichtsunterricht, Schwalbach 2003, S. 105–121.

[14] Eleanor Hight, Gary Sampson, «Introduction. Photography, ‘Race’, and Post-Colonial Theory», in: Dies. (Hg.), Colonialist Photography. Imag(in)ing Race and Place, London, New York 2002, S. 1–19.

[15] Zur Theorie des «colonial gaze» siehe Frantz Fanon, Black Skin, White Masks, New York 2008, im Original publiziert unter dem Titel Peau noire, masques plancs im Jahr 1952.

[16] Im Themendossier «Bildethik. Zum Umgang mit Bildern im Internet» auf dem online Nachschlagewerk visual-history.de werden Chancen und Problemen im Zusammenhang mit der Bereitstellung von historischem Bildmaterial in Online-Umgebungen nachgegangen. Siehe dazu vor allem den Beitrag Matthias Harbeck, Moritz Strickert, «Freiwilligkeit und Zwang. Eine Diskussion im Kontext der frühen ethnologischen Fotografie», online: https://visual-history.de/2020/09/28/freiwilligkeit-und-zwang/ (19.10.2023). Siehe auch: Sophie Junge (Hg.), Den Blick erwidern. Fotografie und Kolonialismus.  Fotogeschichte: Beiträge zur Geschichte und Ästhetik der Fotografie 41, Heft 162 (2021).

[17] So argumentiert etwa auch die deutsche Historikerin und frühe Vertreterin der Visual History Forschung Annette Vowinckel im Zusammenhang mit visuellen Quellen des Kolonialismus in Schulbüchern, Dörte, «‘Visual History’ – Forschung. Neue Sicht auf alte Fotos», online: https://www.deutschlandfunk.de/visual-history-forschung-neue-sicht-auf-alte-fotos-100.html (19.10.2023).

[18] Das didaktische Prinzip der Exemplarität wurde programmatisch von Martin Wagenschein entwickelt. An Fallbeispielen sollen Schüler:innen etwas «Fundamentales» zu erfassen lernen, worauf über Transfer, Deduktion, Induktion oder Analogien auf das Allgemeine, auf Besonderheiten, Gleichheiten und Unterschiede geschlossen werden kann. Siehe Martin Wagenschein Martin, Verstehen lehren, Basel 1999.


Empfohlene Zitierweise/Suggested citation

Barbara Miller, Linda Ratschiller, Simone Rees, «Kolonial – lokal – digital: Chancen und Herausforderungen neuer Erinnerungsangebote», traverse 30/3 (2023), online+, https://revue-traverse.ch/kolonial-lokal-digital-chancen-und-herausforderungen-neuer-erinnerungsangebote/.