Beschleunigung im langen 19. Jahrhundert. Einheit und Vielfalt einer Epochenkategorie


Dass die Gegenwart sich durch Beschleunigung auszeichne, ist eine Erfahrung, die heute vielfach zu kulturkritischen Reflexionen Anlass gibt. Ausgehend von den Beschleunigungstheorien von Reinhart Koselleck und Hartmut Rosa plädiert der Beitrag dafür, die Frage nach der Beschleunigung als Epochenkategorie neu zu stellen. Ein Überblick über die vielfältigen Beschleunigungsdiskurse des 19. Jahrhunderts zeigt exemplarisch, wie die Spannung zwischen ihrem holistischen Anspruch einerseits und der Vielfalt ihrer spezifischen semantisch-pragmatischen Ausrichtungen andererseits dazu führte, dass Beschleunigung als Epochenkategorie nie eine ungebrochene Einheit bildete, sondern vielmehr eine Vielfalt von Erfahrungen, Erwartungen und situationellen Zielsetzungen in sich bündelte. Eine historisch-semantische Analyse dieser Konstellationen und Konjunkturen lässt die Frage nach dem temporalen Wesen der Moderne auf sich beruhen, gewinnt dafür aber einen fruchtbaren Blickwinkel auf die Geschichte gesellschaftlicher Selbstreflexion in der Moderne.

Erschienen in: traverse 2016/3, S. 51