Brüche im Kontinuum. Feministische Kritik im Spannungsfeld polnischer Identitätssuche


Der gesellschaftliche Wandel in Polen seit der Transformation von 1989 rückt die Debatte um die Geschlechterrollen in den Vordergrund. Während das Geschlecht in der Volksrepublik sowohl im Diskurs des sozialistischen Systems wie auch der Opposition eine untergeordnete Rolle spielte, kristallisieren sich die Geschlechterrollen ab den 1990er-Jahren zu einem der Hauptstreitpunkte konservativer und liberaler Kreise heraus. Gerade feministische Standpunkte werden aus konservativer Sicht als kulturfremde «Genderideologie» disqualifiziert.
In der sich herausbildenden feministischen Diskussion und Forschung der Dritten Polnischen Republik verknüpfen sich transnationale Theorieströmungen mit einer lokalen Spurensuche emanzipatorischer Ansätze. Anhand des Werkes Gender für fortgeschrittene Anfänger (2004) der Literaturwissenschaftlerin Inga Iwasiów werden im vorliegenden Beitrag Problemstellungen feministischer Positionen in Polen herausgearbeitet. Dabei fokussiert die Analyse im Besonderen auf die rhetorische Herstellung eines globalen Kontinuums feministischer Geschichte und Entwicklung sowie auf dessen gleichzeitigen Bruch durch die Verortung in der lokalen Gesellschaft. Diese sich zuwiderlaufenden Dynamiken stehen auch im Kontext des postsozialistischen Narrativs des «Rückstandes» und der Forderung nach einem «Aufholen».

Erschienen in: traverse 2016/2, S. 97