Dominantes Narrativ und drängende Forschungsfragen. Zur Geschichte der Schweiz im Ersten Weltkrieg


Bezüglich der Geschichte der Schweiz im Ersten Weltkrieg besteht ein vom Historiker Jacob Ruchti in der Nachkriegszeit entwickeltes Narrativ, das sich über die Jahrzehnte in zahlreichen Darstellungen zur Schweizer Geschichte bis in die neuesten Übersichtswerke gehalten hat. Dieses Narrativ setzt sich aus einigen wenigen Themen zusammen und fokussiert vor allem die kulturelle Zerreissprobe zwischen der Deutschschweiz und der Romandie, die sozialen Spannungen, den Landesstreik, die Neutralität und die Schweizer Armee. Der Beitrag zeigt, wie wenig dieses traditionelle Narrativ bisher über den Einbau neuer Erkenntnisse verändert worden ist. Dies obwohl sich bei regionalen Forschungen – im Rahmen von Kantonsgeschichten – aber auch in den drei innovativen Forschungsfelder Militär-, Wirtschafts- und Geschlechtergeschichte zahlreiche neue quellenbasierte Resultate zeigen, die das dominante Narrativ herausfordern. Schliesslich präsentiert der Beitrag mögliche Perspektiven und Themen, bei denen die weitere Forschung die Kenntnisse vorerst erweitern, dann aber auch die Varianten des dominanten Narrativs ergebnisgestützt durch ein neues und vielschichtigeres ablösen würde.

Erschienen in: traverse 2011/3, S. 123