Der Beitrag untersucht am Beispiel der im Jahr 1974 gegründeten genetischen Beratungsstelle an der Medizinischen Universitätskinderklinik Bern und ihrem Leiter Hans Moser die Neupositionierung und Ausprägung der genetischen Beratung in der Schweiz in den 1970er-Jahren. Dabei fragt der Text auch nach Kontinuität und Bruch von Mosers Beratungstätigkeit zur klassischen Eugenik. Mosers im Jahr 1980 publizierte Studie zum Entscheidungsverhalten von Ratsuchenden basiert auf seinen Beratungserfahrungen der Jahre 1974 bis 1979. Sie zeigt, dass auch Moser die damals hegemonialen Grundsätze der genetischen Beratung der Prävention und Nicht-Direktivität im Sinne Sheldon C. Reeds und der WHO vertrat, dass jedoch Anspruch und Wirklichkeit auseinandergingen. Während die Menschen und ihre Schicksale in seiner Studie seltsam abwesend scheinen, verschrieb sich Moser mit Verve dem technokratischen Mittel des elektronischen Erbregisters, stellte Kosten-Nutzen-Rechnungen über die Geburt behinderter Kinder an und perpetuierte in argloser Manier eugenische Rationalitäten, die er in seinen Stellungnahmen ablehnte.
Eine arglose Eugenik? Hans Moser und die Neupositionierung der genetischen Beratung in der Schweiz, 1974–1980
Erschienen in: traverse 2011/3, S. 85