Steuerstaat und Umverteilen von Ressourcen. Überlegungen zu europäischen Erfahrungen der Frühen Neuzeit

(Etats fiscaux et redistribution des ressources. Quelques réflexions sur l’expérience de l’Europe moderne)

Der Begriff «Umverteilung» setzt eine vorangehende Verteilung von Ressourcen voraus, deren Mechanismen jedoch meistens im Dunkeln bleiben. Im gängigen Gebrauch wird die Umverteilung einseitig mit dem Staat in Verbindung gesetzt. Die öffentliche Hand soll demnach durch gezielte Interventionen übermässige Ungleichheiten korrigieren. Diese Sichtweise verbirgt jedoch die Tatsache, dass die Ausübung jeder politischen und sozialen Macht mit einer gewissen Umverteilung von Ressourcen und Kompetenzen verbunden ist, und dass zahlreiche soziale Akteure am Umverteilungskampf – mit mehr oder weniger Erfolg – beteiligt sind.
Das Aufkommen des modernen Staates in der Frühen Neuzeit ist in der politischen Historiographie breit diskutiert worden. Diese Debatte bietet in meinem Beitrag eine willkommene Gelegenheit, um über die mit dem Aufbau mächtiger Steuerapparate verknüpfte Umverteilung von Ressourcen und Kompetenzen nachzudenken. So können die Ergebnisse des Umverteilungskampfes auch die divergierenden Ausprägungen verschiedener moderner Staaten erhellen und deren nationalspezifischen Entwicklungspfade erklären, wie zum Beispiel denjenigen der Schweiz.

Erschienen in: traverse 2015/1, S. 35