Indem eine (ehr)verletzte Partei vor einem Notar Vergebung übte (apartamiento), konnte der gewaltsame Tod eines Menschen in der spanischen Gesellschaft des Ancien Régime gewissermassen sozial exorziert werden. Der apartamiento stellte eine enge Verbindung zwischen christlicher Moral und gewaltsamem Tod her und durchbrach so die Logik der Blutrache, die nach einem solchen Ereignis möglicherweise ihren Lauf nahm. Der apartamiento-Diskurs über einen gewaltsamen Tod hing deshalb in gleicher Weise von Theologen wie von den Richtern und den der Gerichtsbarkeit Unterworfenen ab. Vergebung durch die verletzte Partei zu empfangen, bedeutete für Angeklagte oder Verurteilte auch einen ersten Schritt in Richtung einer königlichen Begnadigung. Dieser «Exorzismus» war deshalb nur gänzlich wirksam, wenn erachtet wurde, dass der apartamiento denselben Werten der Milde entsprach, welche auch die Begnadigungsgeste des katholischen Königs legitimierten.
Vergebung durch die verletzte Partei. Der moralische, religiöse und juristische Diskurs über gewaltsame Tötungen im Spanien des 17. und 18. Jahrhunderts
(Le pardon de la partie offensée ou le statut dun discours moral, religieux et juridique sur lhomicide dans lEspagne des XVIIe et XVIIIe siècles)Erschienen in: traverse 2008/2, S. 51