Die Jesuiten und der Sklavenhandel zwischen Brasilien und Angola Ende des 16. Jahrhunderts: Beitrag zu einer Debatte

(Les Jésuites et le commerce d'esclaves entre le Brésil et l'Angola à la fin du XVIe siècle. Contribution à un débat)

Im 16. und 17. Jahrhundert beuteten die Jesuiten, genauso wie andere Orden und die europäischen Kolonialherren überhaupt, die Arbeitskraft von indianischen und afrikanischen Sklaven aus. Die Jesuiten haben darüber hinaus auch selbst Sklavenhandel betrieben. Die Geschichtsschreibung aber stellt, unabhängig von ihrer pro- oder anti-jesuitischen Tendenz, die Jesuiten als Gegner der Sklaverei dar: Vertraut man der Historiographie, so verteidigten sie die Freiheit der Indianer und traten für eine Beschränkung oder für eine «Humanisierung» der Versklavung von Schwarzen ein. Die Dokumente, die im vorliegenden Aufsatz vorgelegt werden, sind ein Beitrag zur Demystifikation dieser Bilder.
Zugleich werden die wichtigsten historischen und politischen Argumentationsstränge analysiert, welche die Diskussion über die Sklaverei innerhalb der Societas Jesu prägten, und diese Argumentation wird zu den Praktiken der Jesuiten in den kolonisierten Gebieten in Beziehung gesetzt. Dabei zeigt sich ein grundsätzlicher Widerspruch zwischen missionarischem Auftrag und wirtschaftlichem Sachzwang, wobei letztlich eine pragmatische Haltung obsiegt, die den Widerspruch nicht aufzulösen mag: Der Begriff des Anderen, den die Jesuiten in ihren Diskussionen differenzieren zwischen indianischen und afrikanischen «Schwarzen» wird damit auf seine historischen, politischen und ökonomischen Bedingungen zurückgeführt, welche eine rein kulturalistische Sichtweise oft überdeckt.

(Übersetzung: Thomas Späth)

Erschienen in: traverse 1996/1, S. 34