Selbstbereicherung an kollektiven Ressourcen. «Eigennutz» als Leitmotiv politischer und sozialer Skandalisierung in der vormodernen Eidgenossenschaft


Angemessen historisiert kann der «Skandal» auch für die Vormoderne als produktive Forschungskategorie genutzt werden, um nach fundamentalen Wertehaltungen und zugehörigen Konfliktmodi zu fragen. Während Skandale in heutiger Zeit über massenmedial verbreitete Enthüllungen befeuert werden, adressierte Skandalisierung in der Vormoderne unterschiedliche Kommunikationsräume wie etwa Familie, Peer Groups, politische Gremien und Versammlungen, die als ständisch gerahmte, ineinander verschachtelte und miteinander interagierende Teilöffentlichkeiten fungierten. Eigentliches Skandalon stellte der Vorwurf des Eigennutzes bzw. die Schädigung des gemeinen Nutzens dar. Angeprangert wurden Selbstbereicherung, undurchsichtige Machenschaften oder übermässige Profite aus Amtstätigkeiten. Skandalen kam dabei die Funktion von Läuterungsritualen zu, welche lokalen Gesellschaften und ständischen Gruppen die ungeschriebenen Gesetze ihres Zusammenlebens in Erinnerung riefen.

Erschienen in: traverse 2015/3, S. 57