Teilen und Verteilen. «Umverteilung» in korporativer Logik am Beispiel der alten Eidgenossenschaft


Das wichtigste Instrument moderner «Umverteilung» stellt die staatlich-bürokratisch gesteuerte Umlagerung von Fiskalerträgen dar. Demgegenüber scheiterten die Regierungen der souveränen Orte der Alten Eidgenossenschaft bereits daran, in ihren Territorien überhaupt einträgliche Fiskalsysteme zu etablieren. Wohlfahrtsstaatliche Leistungen wurden deshalb prioritär von parastaatlichen Institutionen wie Gemeinden, Korporationen oder Genossenschaften zuhanden ihrer nutzungsberechtigten Bürgerschaften oder Landleute erbracht. Umverteilt wurde also innerhalb eines korporativen Rahmenwerks, woraus sich spezifische Modi der Distribution und Administration herleiteten.
Strukturell war vormodernen Gesellschaften die Güterumlagerung von unten nach oben eingeschrieben. Schlechter gestellte Schichten erwarteten getreu korporativen Verteilungsregeln eine Gegenleistung für Vorteile, die für die Angehörigen des Herrenstandes aus Ämtern und herrschaftlichen Privilegien resultierten. Politischer Widerstand regte sich dann, wenn die privaten Bereicherungsstrategien der Obrigkeiten die von der geltenden moralischen Ökonomie implizierten Grenzen sprengten.
Im Gegensatz dazu bezweckte «Umverteilung» auf kommunaler Ebene eine möglichst kostengünstige Konsolidierung des lokalen Wirtschaftsgeschehens mittels Hilfestellungen an prekär situierte Haushalte.
Teilen und Verteilen hatte in der vormodernen Schweiz eine eminente Bedeutung. Beschränkte sich politische Partizipation auf eine schmale ständische Elite, so waren die auf Zugehörigkeit zu Nutzungs- und Personenverbänden beruhende materielle Teilhabe an kollektiv besessenen und bewirtschafteten Gütern sowie die vielfältigen damit verbundenen Ressourcentransfers allgegenwärtig.

Erschienen in: traverse 2015/1, S. 51