Überwachen und regulieren. August Forels «schlafende Wachen» im Burghölzli (1887–1898)


Nachdem August Forel im Jahre 1887 die therapeutische Methode der Hypnotisierung erlernt hatte, wandte er diese in der Zürcher Irrenheilanstalt Burghölzli regelmässig ausgiebig an. Neben den Patientinnen und Patienten hypnotisierte er das Wartpersonal. Hiermit wollte er zeigen, dass auch «normale Menschen» hypnotisierbar seien. Zudem kam es ihm gelegen, dass er mit dem Personal relativ uneingeschränkt hypnotische Experimente durchführen konnte. Die bekannteste Anwendung der Hypnose beim Wartpersonal war jene zur Überwachung der Kranken. Da der Nachtdienst auf der Abteilung der unruhigen Patientinnen und Patienten gesundheitlichen Tribut forderte, nahm Forel suggestiv Einfluss auf das Schlafverhalten der Wartpersonen. Die Hypnotisierungen überwachten und disziplinierten die Angestellten im Kontext der Anstaltsordnung, besassen einen hohen Rationalisierungsfaktor und beeinflussten gemäss Forels Auffassung die schwierigen Arbeitsbedingungen des Personals positiv. Auffallend ist der markant höhere Anteil an hypnotisiertem weiblichem Wartpersonal, der sich teilweise durch geschlechtsspezifische Diagnosen, aber auch durch den hohen Anteil der «bewachten» Patientinnen erklären lässt. Dank den durch seine Suggestionen gesteuerten «schlafenden Wachen» hielt Forel auch in der Nacht während seiner Abwesenheit die gesamte Klinik unter seiner Kontrolle. Durch hypnotische Beeinflussung konnte er den Mikrokosmos Burghölzli nach seinen Vorstellungen gestalten und lenken, was er in seiner sozialpolitischen Arbeit auch für die gesamte Gesellschaft angestrebt hatte.

Erschienen in: traverse 2012/2, S. 45