Verwalten statt regieren. Management kollektiver Ressourcen als Kerngeschäft von Verwaltung in der alten Eidgenossenschaft


Ist für die alte Eidgenossenschaft von «Verwaltung» die Rede, so kommt den Behörden und Selbstverwaltungsgremien von Kommunen und Korporationen zentrale Bedeutung zu. Obwohl in Städteorten mit Territorium ansatzweise zentrale Verwaltungsinstitutionen entstanden, wurden viele staatliche Leistungen auf korporativer Ebene erbracht, verwaltet und aus Korporationskassen finanziert. Die zuständigen Beamten wurden von den Angehörigen der zu verwaltenden Körperschaften selbst gewählt. Das Wahlvolk erwartete, dass gemeinsames Vermögen durch die Verwaltungstätigkeit nicht geschmälert würde. Gerade weil körperschaftliche Personenverbände als Verwaltungseinheiten fungierten, kannten sich Verwalter und Verwaltete persönlich und begegneten sich auf Augenhöhe in einer Administration von Angesicht zu Angesicht.
Die Obrigkeiten bauten ihren Staat nicht zuletzt auf korporativen Untergrund, weil ihnen dies den Verzicht auf direkte Steuern erlaubte. Damit machten sie sich aber das «Regieren» schwer. In vielen Belangen selbständige Gemeinden waren der Preis für stabile Verhältnisse und breites Einverständnis mit den Herrschaftsverhältnissen. Die Obrigkeiten beaufsichtigen zwar die Rechnungsführung und redeten bei der Ernennung des lokalen Verwaltungspersonals mit. Direkt in die Verhältnisse vor Ort griffen sie in der Regel aber nur auf Petitionen aus der Bevölkerung ein.
Der klassischen Verwaltungsgeschichte, die von zentralen bürokratischen Institutionen her denkt, fehlen theoretische Konzepte, um den dinglich-materiellen Grundzug einer Verwaltung zu erfassen, die sich primär mit dezentralem Ressourcen- und Konfliktmanagement befasste. Mögliche theoretische Anleihen bieten die Ansätze von Elinor Ostrom in Verbindung mit der Idee einer Ko-Produktion von Staatlichkeit, wie sie seit einigen Jahren in der Politologie diskutiert wird.

Erschienen in: traverse 2011/2, S. 42