« Autobiographie d'une nation ». Antifascisme et résistance dans la mémoire italienne

(«Autobiographie einer Nation». Antifaschismus und Widerstand im italienischen Gedächtnis)

In den meisten europäischen Ländern nimmt die politische Diskussion in den letzten Jahren Bezug auf das Erbe des Zweiten Weltkrieges. An Italien lassen sich die Debatten rund um die Legitimität der politischen Kräfte, die aus dem Krieg hervorgegangen sind, beispielhaft untersuchen. Seit knapp zehn Jahren verlieren die Werte, auf denen das Nachkriegsitalien sich abstützt, an Bedeutung. Am deutlichsten sichtbar wird dies an der Auflösung oder dem Verschwinden der Massenparteien, die seit 1945 das Werden und Sein der Halbinsel bestimmt haben. Mit diesem Niedergang geht ein mehr oder weniger deutlich formulierter Wille einher, unter die Vergangenheit einen Strich zu ziehen. Revisionistische historiographische Strömungen treten in den Vordergrund. Ähnlich plädieren die wichtigsten Zeitungen für eine «postantifaschistische» und eine «postfaschistische» nationale Versöhnung. Indem sie dem Publikum eine sowohl abgeschwächte, versüsste Lektüre des Faschismus als auch eine Lektüre des Ausverkaufs der Werte des Antifaschismus präsentieren, versuchen sie, die Zähler auf Null zu stellen. So erleben wir heute in der Perspektive der neuen politischen Ära ein Beanspruchen von und Bezug nehmen auf non-lieux de memoire. Die Erinnerung an den Antifaschismus und an die Resistance wird in der Folge zum Einsatz in einem harten Kampf des politischen Italien. Diese Auseinandersetzung wird heute teilweise sehr lebhaft ausgetragen, weil sie das Resultat von konfliktiven Erinnerungen ist, die noch keinen Ort gefunden haben, um sich niederzulassen. Dieser kurze Beitrag will der Leserin und dem Leser einige Schlüssel in die Hand geben, um zu verstehen, welch besonderen Platz die Erinnerung an den Antifaschismus und an die Resistanza in den politischen Auseinandersetzungen Italiens (heute noch) einnehmen.

(Übersetzung: Thomas Hildbrand)

Erschienen in: traverse 1999/1, S. 95