Die juristische Fakultät der Universität Lyon und ihre ägyptischen Studenten. Eine schwierige pädagogische Erfahrung zwischen politischer Zweckmässigkeit und akademischem Opportunismus

(Entre opportunité politique et opportunisme universitaire. La Faculté de droit de Lyon et ses étudiants égyptiens)

Die 1908 erfolgte Gründung des Institut oriental d’études juridiques et sociales in Lyon zeigt, wie fragil und schwierig ein an ausländische Studierende gerichtetes Studienangebot ist, wenn der Initiator die Unterstützung der Regierung nicht geniesst und im Kontext einer angespannten politischen Situation der Kolonialzeit sogar das Risiko eingeht, die Regierung gegenüber einem ihrer Verbündeten in eine heikle Situation zu bringen. Auf der anderen Seite zeigt die Gründung, dass es mit einer ordentlichen Prise Einfallsreichtum und einer gewissen Fähigkeit, innovative lokale Partnerschaften zu knüpfen, möglich ist, ein ganzes System zur Aufnahme und Betreuung von Studenten zu schaffen. Dieses System ermöglichte es, ein ambitioniertes pädagogisches und staatsbürgerliches Programm zu realisieren, das nicht nur darin bestand, junge Juristen auszubilden, die das französische wie das ägyptische Recht gleichermassen beherrschten, sondern auch darin, Bürger zu formen, die für politische, wirtschaftliche und soziale Fragen ihrer Zeit sensibilisiert und an die westliche Moderne herangeführt waren.

Erschienen in: traverse 2018/1, S. 72